Start-ups Hier stimmt die Chemie
Das Start-up Mechanolution will die Chemieindustrie revolutionieren. Das Gründungsteam verrät, was ihre Zusammenarbeit erfolgreich macht.
Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass das Start-up-Projekt von Desislava Dobreva und Sebastian Grothaus vor allem Unterschiede prägen. Während die in Bulgarien geborene Wissenschaftlerin Desislava Dobreva eine Leidenschaft für Chemie hat, ist ihr Mitgründer Sebastian Grothaus ein langjähriger Unternehmer. Seit einem Jahr arbeiten sie gemeinsam an ihrem Start-up-Projekt Mechanolution. Mithilfe von Mechanochemie revolutionieren sie die chemische Synthese und stellen Substanzen auf kosteneffiziente und umweltfreundliche Weise her. Im Interview erklären sie, warum es keinen Sinn ergibt, in strikten Gegensätzen zu denken und was ihre Zusammenarbeit erfolgreich macht.
Frau Dobreva, Sie sind 2017 für Ihren Master von Bulgarien nach Bochum gezogen. Ihr Start-up bauen Sie beide gerade an der Ruhr-Universität auf. Wie erleben Sie die Zusammenarbeit in einem internationalen Team?
Desislava Dobreva: Eine Besonderheit ist die Sprache. Wir haben von Anfang an vereinbart, dass wir, wenn möglich, Deutsch miteinander sprechen. Wenn es manchmal etwas schneller gehen muss oder etwas ausführlicher besprochen werden muss, wechseln wir aber ins Englische. Das ist tatsächlich für uns beide von Vorteil, denn so konnte Sebastian bereits sein Englisch und ich mein Deutsch verbessern.
Sebastian Grothaus: Sprache ist natürlich ein wichtiger Aspekt, aber nicht der einzige, der die Zusammenarbeit in einem internationalen Team prägt. Unterschiede bestehen beispielsweise auch darin, wie Dinge angepackt und bearbeitet werden. Ich glaube, was Desi und mich betrifft, so teilen wir viele Gemeinsamkeiten. Wir sind beide sehr motiviert und wollen mit unserem Start-up etwas erreichen. Wir haben beide eine gute Arbeitsmoral und können uns aufeinander verlassen. Das macht die Zusammenarbeit wirklich einfach.
Das klingt, als teilen Sie viele Gemeinsamkeiten. Herr Grothaus, Sie sind Businessexperte und führen mehrere Unternehmen. Frau Dobreva, die Gründungsidee basiert auf Ihrer Forschungsarbeit. Würden Sie also sagen, in Ihrem Team ergänzen Sie sich?
Sebastian Grothaus: Seit zehn Jahren bin ich Unternehmer und kümmere mich daher auch bei Mechanolution um Themen wie Verkauf und Finanzen. Von Chemie hatte ich, bevor ich Desi kennengelernt habe, keine Ahnung. Jetzt beschäftige ich mich aber intensiv damit. Es geht uns also darum, unsere Kompetenzen in einen Topf werfen, in dem sich alles sinnvoll vermischt. Das unternehmerische „Mindset“, ist etwas, das wir gemeinsam haben. Wir haben beide große Freude daran, etwas aufzubauen.
Ich würde sagen, wir ergänzen uns und haben gleichzeitig viele Gemeinsamkeiten.
Desislava Dobreva: Oft heißt es, „entweder oder“. Die Leute denken, man sei entweder Wissenschaftlerin oder Unternehmerin. Natürlich konzentriert sich in einem Team der eine mehr auf das andere, aber das heißt nicht, dass jeder nur seinen eigenen Weg geht und diese sich nie überschneiden. Ich würde also sagen, wir ergänzen uns und haben gleichzeitig viele Gemeinsamkeiten.
Bedeutet das, dass ein geteiltes „unternehmerische Mindset“ entscheidend für eine erfolgreiche Zusammenarbeit ist?
Sebastian Grothaus: Das Wort „Mindset” wird manchmal etwas überbetont und überstrapaziert. Ich bin der Überzeugung, dass man alles mit genug Hingabe, Ausdauer, und der richtigen Einstellung lernen kann. Erfahrungen muss man natürlich auch sammeln. Mit dieser Kombination kann jeder oder jede ein Entrepreneur werden. Man muss aber auch vorwärtsgehen, neue Dinge ausprobieren und mutig sein. Dann ist egal, welches Wort in deinem Lebenslauf steht.
Herr Grothaus, Sie haben Frau Dobreva Ende 2023 kennengelernt. Damals haben Sie ein Vertriebscoaching für die Gründerinnen des Inkubators FACE gegeben. Was hat Sie von der Gründungsidee von Frau Dobreva überzeugt?
Sebastian Grothaus: Als ich Desi getroffen habe, war ich gerade in einer Phase, in der ich mich umgeschaut habe, wo ich mich zusätzlich engagieren kann. Schon seit Jahren engagiere ich mich für nachhaltiges und soziales Unternehmertum. Meine Philosophie ist, dass Unternehmen nicht nur dafür da sind, um viel Geld zu erwirtschaften, sondern auch eine positive Wirkung auf Umwelt und Gesellschaft haben sollten. Das Potenzial der von uns genutzten Mechanochemie ist dafür gigantisch. Gleichzeitig hat mich die Motivation von Desi begeistert. Ein toller Impact, ein tolles Produkt und eine tolle Mitgründerin – das alles hat mich gereizt zu sagen, da steige ich mit ein.
Was genau ist Mechanochemie und welche Potenziale für Gesellschaft und Umwelt birgt diese Verfahrensweise?
Desislava Dobreva: Für die chemische Synthese kombiniert man normalerweise mehrere Stoffe, fügt Lösungsmittel hinzu und erhält daraus ein neues Endprodukt. Die mechanochemische Synthese ermöglicht eine andere Vorgehensweise, indem mechanische Energie genutzt wird. Diese Energie wird beispielsweise in Kugelmühlen durch die Kollision der Kugeln im Inneren der Reaktionsgefäße erzeugt oder, wie in unserem Fall, durch einen Doppelschneckenextruder. Hier entsteht Energie durch zwei gleichsinnig drehende Schnecken, ähnlich wie bei der Herstellung von Pasta.
Mit unserem Prozess erreichen wir eine Energieeinsparung von bis zu 90 Prozent.
Der Vorteil der mechanochemischen Synthese ist, dass man viel weniger Energie verbraucht und die Reaktionszeiten kürzer sind. Wenn man sich das mal in absoluten Zahlen anguckt, dann kommen dabei riesige Mengen an Energieeinsparungen, CO2-Einsparungen und Lösungsmitteleinsparungen raus. Mit unserem Prozess erreichen wir eine Energieeinsparung von bis zu 90 Prozent und können Tausende von Litern an Lösungsmitteln pro Zyklus einsparen. Außerdem können wir eine lokale Produktion damit aufbauen und das Problem der langen, undurchsichtigen Lieferketten angehen.
Wer wird Ihre Innovation hauptsächlich nutzen?
Desislava Dobreva: Kosmetik- und Pharmaunternehmen, die vor Ort produzieren. Die Produkte, die wir mittels Mechanochemie synthetisieren, finden genau in diesen Branchen Anwendung. Es handelt sich dabei beispielsweise um Cremes oder Mundhygieneprodukte.
Sebastian Grothaus: Unser Geschäftsmodell sieht zunächst vor, dass wir selbst die Produkte herstellen, die für die Kosmetik- und Pharmaindustrie nützlich sind. Die Mechanochemie an sich ist nicht neu, aber der Prozess für die Herstellung wichtiger Inhaltsstoffe, das ist die Innovation, an der Desi gearbeitet hat.
Sie arbeiten seit fast einem Jahr gemeinsam an Ihrem Start-up-Projekt. Wenn Sie zurückblicken, gibt es etwas, auf das Sie besonders stolz sind?
Desislava Dobreva: Für mich war es wirklich schwierig, einen passenden Mitgründer zu finden. Ich würde also sagen, dass ich froh und glücklich darüber bin, dass Sebastian und ich uns getroffen haben und so schnell ein Team geworden sind. Das ist sehr wertvoll.
Der kontinuierliche Fortschritt ist unser größter Erfolg.
Sebastian Grothaus: Das ist wirklich ein großer Erfolg. Wir sind ein Team, das gut zusammenarbeitet und die gleichen Ziele verfolgt. Viele Teams tun sich schwer damit, weil sie unterschiedliche Pläne haben, auf Hindernisse stoßen oder ihre Wege auseinandergehen. Es gibt so viele Komponenten, an denen man arbeiten muss, um ein Unternehmen wirklich zum Laufen zu bringen. Gestern haben wir einen Pitch gehalten, um eine Förderung zu bekommen, dabei wurden wir gefragt, wie sich unser Start-up im letzten halben Jahr weiterentwickelt hat. Wir konnten von so vielen Verbesserungen berichten. Wir verstehen unser Team, den Markt und unsere Preisgestaltung besser. Dieser kontinuierliche Fortschritt ist unser größter Erfolg.
Was bedeutet es Ihnen, beim WORLDFACTORY Demo Day 2024 als eines der besten Start-ups der Ruhr-Universität ausgezeichnet worden zu sein?
Desislava Dobreva: Wir standen als achtes Team auf der Bühne und hatten bis dahin schon einige Pitches gehört. Ich hatte mir gute Chancen ausgemalt, mit Mechanolution unter die Top-5 zu kommen. Als wir dann nicht auf Platz 5 und auch nicht auf Platz 4 waren, wurde ich nervös. Das wir den zweiten Platz belegen, hätte ich niemals gedacht. Den stärksten Eindruck hinterlassen hat eines der Jurymitglieder, das selbst bereits Erfahrungen im Bereich Chemie hat. Er war es, der uns einen riesigen Scheck über 1.000 Euro überreicht hat und sagte, dass das, was wir machen, wirklich mutig und disruptiv sei, und belohnt werden müsse.
Sebastian Grothaus: Für mich war es eine Bestätigung, dass wir auch bei einem Pitch vor großem Publikum gut als Team zusammenarbeiten. Der zweite Platz und das Feedback der Jury haben das große Potenzial der Mechanochemie bestätigt.
Die Kombination aus Versprechen und Liefern ist der Schlüssel, um ein Start-up aufzubauen.
Erfolgreiche Zusammenarbeit braucht …
Desislava Dobreva: ... Kommunikation.
Sebastian Grothaus: Und Vertrauen. Man muss sich aufeinander verlassen können. Versprechen, die zu einem Start-up-Projekt dazu gehören, damit man vorankommt, müssen auch eingehalten werden. Diese Kombination aus Versprechen und Liefern ist der Schlüssel, um ein Start-up aufzubauen.
Über das Gründungsteam