Mechanochemie „Ich fing an, größer zu denken und mehr zu wollen“
Das Start-up Mechanolution will chemische Synthese umweltfreundlicher machen. Was Gründerin Desislava Dobreva antreibt? Die Freiheit, ihre eigene Vision zu verfolgen.
Desislava Dobreva sprudelt nur so vor Ideen. Die Chemikerin aus Bulgarien führt nicht nur ihr eigenes Kosmetikunternehmen und arbeitet an ihren Doktorarbeit an der Ruhr-Universität Bochum, sie baut außerdem ihr eigenes Start-up auf. Mit Mechanolution will sie die chemische Synthese von Inhaltsstoffen, für beispielsweise Kosmetik und Arzneimitteln, umweltfreundlicher machen. Hierfür nutzt sie mechanische Energie, um chemische Reaktionen anzutreiben und Lösungsmittel überflüssig zu machen. Gefährliche Chemikalien kommen so seltener zum Einsatz und Zeit und Geld können durch verringerte Prozessschritte eingespart werden.
Im Interview erzählt die angehende Gründerin, wieso mehr Arbeit für sie auch mehr Freiheit bedeutet, und weshalb sie keine Probleme damit hat, ihre Komfortzone zu verlassen.
Frau Dobreva, wie sind Sie zur Ruhr-Universität Bochum gekommen?
Meinen Bachelor-Abschluss in Chemie habe ich in der bulgarischen Hauptstadt Sofia gemacht. Da es schon immer mein Traum war, in Deutschland zu leben und zu studieren, habe ich mich im Jahr 2017 dazu entschieden, mich hier auf einen Master zu bewerben. Für mich war dabei klar: Ruhr-Universität Bochum oder keine. Deswegen habe ich mich auch nirgendwo sonst beworben. Nach einem erfolgreichen Abschluss meiner Masterarbeit in der Forschungsgruppe von Prof. Lars Borchardt am Lehrstuhl für Anorganische Chemie hat mich das Themenfeld immer noch begeistert. Mittlerweile bin ich hier im dritten Jahr meiner Promotion.
Unser Ziel ist es, bereits bestehende Prozesse in nachhaltigere umzuwandeln und damit die chemische Industrie zu revolutionieren.
Welche Idee verbirgt sich hinter Ihrem Start-up Mechanolution?
Mit Mechanolution versuchen wir, Prozesse in der chemischen Synthese umweltfreundlicher zu gestalten. Hierzu nutzen wir die Mechnochemie als eine innovative Technik, die viele Vorteile mit sich bringt, zum Beispiel reduziert sie Abfall und CO2-Emissionen. Außerdem ist sie energiesparender und hat eine höhere Leistungsfähigkeit. Unser Ziel ist es, bereits bestehende Prozesse in nachhaltigere umzuwandeln und damit die chemische Industrie zu revolutionieren.
Wollten Sie schon immer Ihr eigenes Start-up gründen?
Nicht immer. Als ich ein Kind war, wollte ich in einem großen Pharmaunternehmen in Deutschland arbeiten, deshalb bin ich nach Nordrhein-Westfalen gekommen. Aber als ich älter wurde, haben sich meine Interessen erweitert, und ich fing an, größer zu denken und mehr zu wollen.
Ich erinnere mich daran, dass ich mir Stellenausschreibungen angeschaut habe und keine davon mochte.
Desislava Dobreva
Und wann haben Sie erkannt, dass Sie gründen wollen?
Ich erinnere mich daran, dass ich mir Stellenausschreibungen angeschaut habe und keine mochte. Mir wurde klar, dass ich als Angestellte immer auf Grenzen in meiner beruflichen Entwicklung stoßen werde. Wenn man die höchstmögliche Position erreicht hat, gibt es keine richtigen Herausforderungen mehr, es sei denn, man wird Geschäftspartnerin, was sehr unwahrscheinlich ist. So sehe ich das zumindest.
War es eine schwierige Entscheidung für Sie zu gründen?
Die Entscheidung ist mir ziemlich leichtgefallen. Ich will Freiheit. Und ja, wahrscheinlich bedeutet die Selbstständigkeit mehr Arbeit als ein Nine-to-Five-Job, aber wenigstens kann ich die Dinge in meinem eigenen Tempo erledigen. Durch die Selbstständigkeit habe ich die Möglichkeit, meine Leidenschaft, meine Hobbys und Stärken in einem Unternehmen zu verwirklichen und Geld mit etwas zu verdienen, das ich liebe. Statt für einen Arbeitgeber zu arbeiten, der vielleicht nicht dieselbe Vision oder Leidenschaft teilt wie ich, kann ich mich voll und ganz auf meine Ideen einlassen und sie ohne Einschränkungen zum Leben erwecken.
Gibt es Unterschiede zwischen der deutschen und bulgarischen Start-up-Kultur?
Laut der jüngsten Eurobarometer-Umfrage steht Bulgarien an erster Stelle in Europa, was den Prozentsatz der jungen Menschen angeht, die ein eigenes Unternehmen gründen wollen. Ich kann definitiv bestätigen, dass wir ein ausgeprägtes Gründungsmindset haben. Das lässt sich unter anderem auf eine größere Risikobereitschaft sowie mehr unternehmerische Vorbilder zurückführen.
Ich habe den Eindruck, dass Deutsche sich gerne sicher fühlen und vermeiden, zu viele Risiken einzugehen.
Desislava Dobreva
Vielleicht ist der Hauptunterschied auch, dass es uns nicht stört, aus unserer Komfortzone herauszukommen. Ich habe den Eindruck, dass Deutsche sich gerne sicher fühlen und vermeiden, zu viele Risiken einzugehen. Eine weitere interessante Beobachtung ist, dass viele deutsche Unternehmerinnen und Unternehmer warten, bis sie etwa 20 Jahre in einem Beruf tätig waren. Erst wenn sie glauben, genug Kenntnisse gesammelt zu haben, entscheiden sie sich im Alter von etwa 40 Jahren dazu, ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Ich persönlich teile diese Ansicht nicht. Natürlich sollten Gründerinnen und Gründer eine gewisse Erfahrung mitbringen, aber man muss nicht alles wissen. Wichtig ist vor allem, dass man flexibel ist und sich an Veränderungen anpassen kann.
Wie reagiert Ihr Umfeld, wenn Sie erzählen, dass Sie ein Start-up gründen?
Ich würde sagen, dass meine Entscheidung positiv aufgenommen wird. Die Leute sind interessiert, möchten mehr Details erfahren und wünschen mir Glück.
Sind Sie im bisherigen Gründungsprozess auf irgendwelche Hürden oder Vorurteile gestoßen?
Die Suche nach einer Finanzierung war bisher eine der schwierigsten Aufgaben. Bei einer so kapitalintensiven Gründungsidee braucht man große finanzielle Unterstützung. Auch das Matching mit potenziellen Mitgründerinnen und Mitgründern ist schwierig. Ich hatte großes Glück, meinen jetzigen Geschäftspartner Sebastian Grothaus zu treffen. Davor gab es aber auch ein paar erfolglose Versuche. Vorurteile habe ich bis zu einem gewissen Grad ebenfalls erlebt, aber ich habe das Gefühl, dass das mit der Zeit besser geworden ist und die Menschen offener geworden sind.
Außerdem sollte man seine Träume nie aufgeben, egal was andere einem sagen.
Desislava Dobreva
Was haben Sie daraus gelernt?
Es ist wichtig zu wissen, wie man seine Gründungsidee verkauft und wie man effektiv mit Menschen kommuniziert. Außerdem sollte man seine Träume nie aufgeben, egal was andere einem sagen.
Wo haben Sie an der Ruhr-Universität Unterstützung gefunden?
Das WORLDFACTORY Start-up Center und hier insbesondere die Inkubatoren Start4Chem und FACE haben mir sehr geholfen und tun es auch immer noch. Durch Coachings und Workshops konnte ich mein Wissen erweitern und bei den Networking-Events habe ich viele inspirierende Menschen getroffen. Ich habe das Gefühl, Teil einer Gemeinschaft zu sein, in der sich alle gegenseitig helfen und immer freundlich zueinander sind.
Welchen Tipp haben Sie für gründungsinteressierte Frauen?
Seid mutig und versucht es einfach mal. Habt keine Angst davor, Fehler zu machen. Das Scheitern ist Teil des Lebens und man sollte es als Chance begreifen.
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