Serie Unsere Gründerinnen

Auf dem WORLDFACTORY Demo Day 2025 nahm Afagh Hassani den Preis für den dritten Platz von Sebastian Hanny-Busch von der NRW.Bank entgegen.

© Privat

Top-Start-up

Die vergessene Phase der Heilung

Das Start-up AfterBattle hat eine App entwickelt, die eine entscheidende Lücke in der Krebsnachsorge schließt.

Rund vier Millionen Menschen in Deutschland haben eine Krebserkrankung überstanden. Eine von ihnen ist Gründerin Afagh Hassani, die im Bereich Humangenetik in der Genomics Core Facility der medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum arbeitet. Sie weiß, dass der Weg zurück in den Alltag keinesfalls leicht ist. Auch wenn der Krebs besiegt ist, können unerwünschte Langzeitfolgen – körperliche wie auch psychosoziale – bleiben. Viele Menschen fühlen sich in dieser Zeit allein, da sie nicht die nötige Unterstützung finden, die sie bräuchten.

Um die Lücke in der Krebsnachsorge zu schließen, hat Afagh Hassani das Start-up AfterBattle gegründet. Gemeinsam mit ihren Mitgründern Arian Ghorbanian und Farhad Nowzari entwickelt sie eine App, die Krebsnachsorge ganzheitlich denkt. Für ihre Idee wurde das Team als Top-3-Start-up der Ruhr-Universität Bochum beim WORLDFACTORY Demo Days 2025 ausgezeichnet. Im Interview erklärt Afagh Hassani, wie AfterBattle Krebsüberlebende genau unterstützt. 

Frau Hassani, welche Idee steckt hinter Ihrem Start-up AfterBattle?
Wenn ein Mensch an Krebs erkrankt, verändert sich sein gesamtes Leben. Die Erkrankung bringt nicht nur körperliche Herausforderungen mit sich, sondern auch ein tiefes seelisches Trauma. In der Arztpraxis wirkt alles sicher und überschaubar, doch sobald man wieder allein ist, erscheinen die Herausforderungen doppelt so groß. Wir möchten, dass niemand das Gefühl von Einsamkeit und Hilflosigkeit in Momenten voller Sorge allein durchstehen muss. Mit AfterBattle arbeiten wir deshalb an einer App, die schnell zur Verfügung steht und einfach zu benutzen ist, und das in einer sicheren, vertrauten Umgebung von zuhause aus. 

Nach meiner eigenen Behandlung habe ich über ein Jahr lang auf einen Therapieplatz gewartet.

Warum setzen Sie mit der App vor allem bei der Krebsnachsorge an?
Nach meiner eigenen Behandlung habe ich über ein Jahr lang auf einen Therapieplatz gewartet, da die Wartelisten so lang sind. In dieser Zeit wurde mir klar, wie groß die Versorgungslücke nach der akuten medizinischen Phase ist. Die akute Behandlungszeit wird von Angst und Unsicherheit begleitet, und genau deshalb sollte man sich in dieser Phase auf eine einzige, verlässliche Informationsquelle verlassen, nämlich den behandelnden Arzt. Unser Ansatz setzt bewusst in der Nachsorgephase an, denn genau hier fehlt die Unterstützung. Mit AfterBattle wollen wir Menschen das Gefühl geben, auch in dieser Phase nicht allein zu sein.

Ihre App soll ganzheitlich bei der Krebsnachsorge unterstützen. Wie genau sieht das aus? 
Unsere App besteht aus verschiedenen Modulen. Im ersten Schritt geht es um eine unterstützende Ernährung. Wir beantworten Fragen wie: Was soll ich nach einer überstandenen Krebsbehandlung essen? Wie kann ich die Rückstände der Chemotherapie aus meinem Körper ausleiten? Was kann ich tun, wenn ich plötzlich Über- oder Untergewicht habe? Auch Haarausfall, brüchige Nägel oder Hautveränderungen lassen sich durch eine gezielte Ernährung verbessern. Im zweiten Schritt bieten wir Mindfulness-Übungen an. Auch nach erfolgreicher Therapie bleiben oft psychische Herausforderungen wie Panikattacken oder depressive Phasen bestehen. Unsere App schlägt Meditationen, Achtsamkeitsübungen und Yoga vor. Das sind unsere Basisfunktionen.

In der Premiumversion kommt die Epigenetik hinzu. Wir unterstützen die Nutzerinnen und Nutzer dabei, mit wissenschaftlich fundierten Methoden gezielt die Genexpression zu beeinflussen. Damit ist die Umsetzung der genetischen Information in ein Genprodukt gemeint, die beispielsweise auch durch Stress und Umwelteinflüsse beeinflusst werden kann. Darüber hinaus kann man in der App nicht nur schreiben, sondern auch sprechen. Wir haben kürzlich einen Prototyp für einen KI-basierten Sprachassistenten mit dem vorläufigen Namen Jarvis entwickelt. Jarvis ist wie eine einfühlsame Pflegekraft, die rund um die Uhr zur Verfügung steht und die persönliche Geschichte der User kennt. So entsteht eine kontinuierliche, vertrauensvolle Begleitung.

Wer gehört zum Gründungsteam von AfterBattle?
Neben mir sind noch zwei weitere Personen Teil des Gründungsteams. Arian Ghorbanian, unser Ernährungsberater, ist ein Familienmitglied von mir. Er war während meiner eigenen Erkrankung immer an meiner Seite. Als ich ihm von meiner Idee erzählte, war er sofort begeistert.

Es war mir wichtig, jemanden zu finden, der nicht nur fachlich kompetent ist, sondern auch emotional und geistig mit der Vision unseres Start-ups mitschwingt.

Nach einem IT-Experten habe ich über ein Jahr lang gesucht. Es war mir wichtig, jemanden zu finden, der nicht nur fachlich kompetent ist, sondern auch emotional und geistig mit der Vision unseres Start-ups mitschwingt. Anfang dieses Jahres habe ich mit Farhad Nowzari genau die richtige Person gefunden. Er bringt nicht nur fundiertes Wissen und Erfahrung in seinem Fachgebiet mit, sondern auch ein tiefes Gespür für das Team und unser gemeinsames Ziel. Zukünftig möchten wir zudem mit freiberuflichen Expertinnen und Experten, etwa aus der Psychologie, zusammenarbeiten.

Was war bisher die größte Herausforderung für Ihr Start-up?
Die Teambildung war eine Herausforderung, aber die größte Hürde war für mich, den Startpunkt zu finden. Wie fängt man überhaupt an, ein Start-up zu gründen? Ich habe viel recherchiert, Veranstaltungen besucht und an einem Workshop der Bochum Wirtschaftsentwicklung teilgenommen. In diesem Prozess habe ich schließlich bei der WORLDFACTORY meine Mentorin Christiane Jonietz kennengelernt – ein echter Glücksfall. Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort, und von da an nahm alles Gestalt an.

INCUBATE IT! – Jetzt bewerben für Batch #2!

Du hast eine Idee, die die Welt verändern kann? Dann bewirb dich für INCUBATE IT!, den 12-wöchigen Inkubationsprogramm der Ruhr-Universität Bochum für (Social) Impact und Deep-tech-Start-ups. Studierende, Forschende, Alumni und Gründungsteams in der frühen Phase erhalten Know-how, Mentoring, Zugang zu Netzwerken und bis zu 10.000 Euro Förderung.

Sie haben die WORLDFACTORY erwähnt. Wie genau unterstützt Sie die Ruhr-Universität Bochum bei Ihrem Gründungsvorhaben?
Während meines Studiums wusste ich nicht, dass es an der Ruhr-Universität solche Unterstützungsangebote gibt. Erst als ich meine Arbeit offiziell aufgenommen habe, wurde ich auf die entsprechenden Förderstrukturen und Organisationen aufmerksam und das war wirklich eine großartige Erfahrung. Dank der WORLDFACTORY kann ich an zahlreichen Workshops rund ums Thema Gründung teilnehmen. Ich bin Teil des Inkubationsprogramms Incubate It! und wurde über FACE@RUB als eine von zehn Stipendiatinnen in das Förderprogramm EXIST-Women des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz aufgenommen. 

Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung als Top-Start-up der Ruhr-Universität Bochum?
Unser Pitch beim WORLDFACTORY Demo Day 2025 war unser erster öffentlicher Auftritt und gleich ein großer Erfolg. Die Auszeichnung als Top-Start-up war für uns ein bedeutender Meilenstein. Sie hat uns gezeigt, dass unsere Idee realisierbar ist und dass unsere Vision verstanden und wertgeschätzt wird. Das positive Feedback der Jury hat uns enorm bestärkt. Es war ein unglaubliches Gefühl zu merken, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Es hat unser Selbstvertrauen gestärkt und unseren Antrieb verdoppelt, mutig den nächsten Schritt zu gehen.

Was sind Ihre Ziele für die nächsten Jahre?
Unser Ziel ist es, die App in den nächsten zwei Jahren erfolgreich auf den Markt zu bringen, mit einem soliden Fundament in Datenschutz, medizinischem Vertrauen und Nutzerfreundlichkeit. Zunächst soll die App auf Deutsch und in der Stadt Bochum verfügbar sein. Mit der Unterstützung der Universität und unseres wachsenden Netzwerks wollen wir dann die App in drei Jahren deutschlandweit etablieren und erste Schritte Richtung Internationalisierung unternehmen.

Mein Rat an Studierende lautet: Nehmt eure Ideen ernst und gebt ihnen Raum.

Haben Sie einen Tipp für Gründungsinteressierte?
Ein Start-up zu gründen bedeutet, sich auf einen ungewissen Weg zu begeben. Man sieht oft nur die nächsten paar Schritte, aber genau diese kleinen Schritte führen nach vorn. Wenn man eine Idee hat, dann ist sie auch irgendwie umsetzbar, sonst wäre sie gar nicht erst entstanden. Mein Rat an Studierende lautet daher: Nehmt eure Ideen ernst und gebt ihnen Raum. Gerade im Studium hat man die Freiheit, Dinge auszuprobieren. Das sollte man nutzen.

Veröffentlicht

Mittwoch
09. Juli 2025
09:07 Uhr

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