Interview Was im Leitungswasser steckt
Tobias Licha weiß, was so alles in unserem Trinkwasser ist und warum wir es normalerweise trotzdem bedenkenlos trinken können.
Prof. Dr. Tobias Licha leitet seit 2019 die Arbeitsgruppe Hydrogeochemie an der Ruhr-Universität. Im Interview erklärt er, woher Blei im Wasser kommen kann und was sich darin sonst noch so alles finden lässt.
Herr Prof. Licha, warum ist es normal, dass Blei in geringen Mengen im Trinkwasser ist? Woher kommt es?
Tobias Licha: Geringe Mengen Blei können im Trinkwasser nachgewiesen werden, weil es immer noch Reste alter Leitungen gibt. Zwar sind Bleileitungen hier seit rund 50 Jahren nicht mehr erlaubt und werden nicht mehr eingebaut, aber bis das gesamte Netz ausgetauscht ist, dauert es. Das Blei könnte auch aus Leitungen aus anderen Materialien stammen, in denen sich Kesselstein gebildet hat, also Kalkablagerungen, in denen sich auch Blei eingelagert haben könnte. Wenn das Wasser darin mal länger steht, können sich solche Ablagerungen langsam lösen und ins Wasser gelangen.
Darüber hinaus kann es auch andere Gründe für Blei im Wasser geben, die aber in unserem Fall nicht infrage kommen. Wenn man zum Beispiel wie in der Stadt Flint in den USA die Ressource wechselt, also eine andere Wasserquelle nutzt, werden auch die Inhaltsstoffe andere sein. Wenn sich zum Beispiel der pH-Wert des Wassers ändert, können die Bleiwerte schwanken. Weiches Wasser ist nicht so günstig, härteres ist besser. Der pH-Wert wird im Wasserwerk eingestellt, er sollte also eigentlich hier bei uns nicht schwanken.
Kann man trotzdem bedenkenlos Wasser trinken? Was sollte man beachten?
Leitungswasser ist das bestüberwachte Lebensmittel, das es gibt. Es hat übrigens oft geringere Grenzwerte als Mineralwasser aus Flaschen. Normalerweise kann man es bedenkenlos trinken. Wenn es wieder freigegeben wird, werde ich auch meinen Tee und Kaffee wieder mit Wasser aus der Teeküche zubereiten.
Wasser sollte nur nicht zu lange in der Leitung stehenbleiben. Wenn man also aus dem Urlaub zurückkommt, sollte man es eine Minute laufen lassen, bevor man es trinkt.
Was ist noch alles im Trinkwasser, das man dort nicht erwarten würde?
Für rund 500 Stoffe im Leitungswasser gibt es Grenzwerte. Es gibt aber 100.000 mögliche Verbindungen, die vorkommen können. Das reicht von Fassadenfarben über Arzneimittelrückstände und verschiedene Abbauprodukte bis hin zu perfluorierten Tensiden. Für alle unregulierten Stoffe im Wasser gilt ein pauschaler Grenzwert, der ein Hundertstel dessen von Blei beträgt. Gemessen werden können derzeit allerdings nur rund 8.000 Stoffe, das ist der Rekord unserer Kolleg*innen von der Universität Duisburg-Essen.
Die Vorstellung ist aber doch etwas eklig, oder?
Etwas eklig ist eine Sache häufig schneller mal, als dass sie bedenklich wäre. Man kann das Leitungswasser trotzdem bedenkenlos trinken, wenn die Werte ok sind.