Nina Bartholomé stellt das Antisexismus-Projekt Unser Campus vor © RUB, Kramer

Projekt Unser Campus

Die Koordinatorin Nina Bartholomé stellt das Antisexismus-Projekt vor.

Im Zuge der NRW-weiten Aktion „Gewalt kommt mir nicht auf den Campus“ stellt Koordinatorin Nina Bartholomé auf Wunsch des Zentralen Gleichstellungsbüros das Projekt UNSER CAMPUS vor:

Geschichte und Motivation des Projekts

Die Idee für das Projekt UNSER CAMPUS – gegen Sexismus an der RUB! entstand im Rahmen der Awarenesskampagne „Erkenne die Grenze“, einem Kooperationsprojekt zwischen dem Zentralen Gleichstellungsbüro der RUB, dem Marie Jahoda Center for International Gender Studies (MAJAC), der Stadt Bochum und der BOGESTRA. Die Frage, die sich stellte, war: Wie können Themen wie Sexismus, sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch auf einem der größten deutschen Unicampi thematisiert werden, ohne das subjektive Sicherheitsempfinden der Hochschulmitglieder zu beeinträchtigen? UNSER CAMPUS möchte das Bewusstsein für diesen Themenkomplex, aus einer intersektionalen Perspektive, schärfen, das Verantwortungsgefühl für ein diskriminierungssensibles Miteinander stärken und die Handlungskompetenzen im Bereich Gewaltprävention und Antidiskriminierung aller Hochschulmitglieder erweitern.

Unsere Ziele

  • Campusmitglieder über Sexismus im Hochschulkontext informieren und aufklären,
  • die Zivilcourage und Solidarität auf dem Campus stärken,
  • zu einem Verlernen sexistischer Denk und Verhaltensweisen motivieren,
  • die Entwicklung von praktischen diskriminierungssensiblen Handlungskompetenzen im Hochschulalltag unterstützen,
  • interne und externe Anlaufstellen und Beratungsangebote bekannter machen und dorthin vermitteln.

Unsere Aktivitäten und Formate

  • Workshops und Fortbildungen, häufig in Kooperation mit weiteren Akteur*innen,
  • intensive analoge und digitale Öffentlichkeits – und Aufklärungsarbeit,
  • verschiedene Veranstaltungsformate und Mitwirkungen an Aktionstagen,
  • Begleitung von Teams, Gruppen und Initiativen bei internen Sensibilisierungsprozessen,
  • die Organisation des Runden Tisches gegen „Prävention von Sexismus und sexualisierter Gewalt an der RUB“ und weiterer Vernetzungstreffen im Themenfeld.

UNSER CAMPUS wird von der RUB und dem AKAFÖ gefördert und war von 2018 bis 2022 beim MAJAC angegliedert. Seit 2023 gehört das Projekt zur Antidiskriminierungsstelle.

Prävalenz und spezifische Rahmenbedingungen von sexueller Belästigung, Diskriminierung und Gewalt an Hochschulen

Sexualisierte Gewalt, Diskriminierung und Machtmissbrauch an Hochschulen sind tief in sozialen, gesellschaftlichen und politischen Strukturen verankerte Phänomene, die zentrale Herausforderungen für den akademischen Raum darstellen. Obwohl Hochschulen oft als „enlightened organizations“ wahrgenommen werden, steht diese Selbst- und Fremdwahrnehmung im Widerspruch zur Realität. Die spezifischen Rahmenbedingungen, wie ausgeprägte Hierarchie- und Machtverhältnisse, die „Unantastbarkeit“ von Personen in Machtpositionen, rechtliche Grauzonen und eine Kultur des Schweigens, schaffen einen fruchtbaren Nährboden für Sexismus und Machtmissbrauch.

Empirische Studien unterstreichen die hohe Prävalenz dieser Phänomene. Das Projekt UniSAFE – ENDING GENDERBASED VIOLENCE, welches die bisher größte länderübergreifende Untersuchung zu geschlechtsbezogener Gewalt in der europäischen Hochschullandschaft durchgeführt hat, zeigt in einer Studie auf, dass 62 Prozent der Befragten seit ihrem Eintritt in die Hochschule mindestens eine Form von geschlechterbasierter Gewalt erlebt haben. Besonders gefährdet sind nicht-binäre Personen sowie Frauen*, wobei intersektionale Faktoren wie Behinderung, chronische Erkrankungen oder Mehrfachmarginalisierung das Risiko von Diskriminierungserfahrungen zusätzlich erhöhen.

Eine Untersuchung der Ruhr-Uni Bochum zu Diskriminierungserfahrungen unter Studierenden liefert detaillierte Einblicke in die Situation an unserem Campus. Von den 4.424 befragten Studierenden berichteten 14,69 Prozent über regelmäßige Diskriminierungserfahrungen, darunter 6,53 Prozent über Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und 5,54 – über sexuelle Belästigung. Frauen* und nicht-binäre Personen sind dabei überproportional betroffen. Diese Ergebnisse unterstreichen erneut, dass geschlechterbezogene Gewalt und Diskriminierung keine Einzelfälle sind, sondern ein strukturelles Problem darstellen.

Was kann die Hochschule tun?

Eine nachhaltige und sichere Hochschulkultur kann nur durch einen tiefgreifenden, systemischen Wandel der Organisationskultur erreicht werden. Die Prävention und der Umgang mit geschlechtsbezogener Gewalt sind dabei keine isolierten Aufgaben, sondern betreffen alle Hochschulmitglieder und bedürfen eines gemeinschaftlichen Engagements. Zudem ist die gesetzliche Verpflichtung zum Diskriminierungsschutz eine klare Aufgabe der Hochschulen. Es bedarf umfassender Maßnahmen, um Sensibilisierung, Prävention und die Förderung einer inklusiven, sicheren Lern- und Arbeitsumgebung zu gewährleisten. Zu den strategischen Maßnahmen, die Hochschulen ergreifen können, gehören die Einführung verbindlicher Richtlinien, die Überwindung der Einzelfallperspektive hin zu systematischer Prävention und eine aufklärende Öffentlichkeitsarbeit, die informiert, sensibilisiert und verschiedene Statusgruppen erreicht.

Die aktive Unterstützung und Einbindung marginalisierter Gruppen durch Netzwerke, Safer Spaces und weitere Prozesse ist außerdem grundlegend, um bedarfsorientierte Strategien entwickeln zu können und vor allem, um die Hochschulstrukturen demokratischer und transparenter umzustrukturieren. Umfassende und systemische Organisations- und Personalentwicklungsmaßnahmen, die Bereitstellung finanzieller Mittel sowie die Etablierung von Beschwerdestrukturen und Beratungsstellen sind ebenfalls essenziell. Außerdem sind die Evaluation der umgesetzten Maßnahmen und die Verstetigung wirkungsvoller Strategien unbedingt notwendig, um einen nachhaltigen Kulturwandel an Hochschulen zu bewirken. Die Ruhr-Universität hat bereits einige bedeutende Schritte in den Bereichen Gleichstellung und Antidiskriminierung unternommen. Dazu zählen unter anderem die Veröffentlichung der Antidiskriminierungsrichtlinie, die Etablierung dezentraler Beauftragter für Diversität und Gleichstellung an den Fakultäten, die Einrichtung der Antidiskriminierungsstelle und der Bau von All-Gender-WCs.

Was kann jede*r tun?

Jede*r kann sich im Alltag solidarisch gegen Sexismus und Diskriminierung einsetzen und aktiv Verantwortung für ein gewaltärmeres Miteinander einsetzen. Dies beginnt damit, eigene sexistische Glaubenssätze zu erkennen und zu verlernen und sich bewusst mit eigenen gesellschaftlichen (De-)Privilegien auseinanderzusetzen. Zugleich ist es wichtig, Sexismus im Kontext weiterer systemischer Diskriminierungsformen und Machtverhältnissen zu verstehen, welche sich gegenseitig bedingen, erhalten und reproduzieren.

Einsatz gegen Sexismus sollte auch immer als Einsatz gegen Faschismus, Rechtsextremismus, Rassismus, Ableismus und so weiter verstanden und gestaltet werden. Weiterhin kann man Solidarität in Situationen, in denen sexistische Diskriminierung beobachtet oder zum Beispiel verbal reproduziert wird, durch Widersprechen und Einschreiten zeigen. Je nach Kontext braucht es unterschiedliche Strategien und Kompetenzen, die aber jede*r erlernen kann – das möchte ich unbedingt betonen. Erstens gibt es jede Menge Bücher, Podcasts, Social-Media-Content und an der Ruhr-Uni und darüber hinaus verschiedenste Bildungsangebote, die Menschen bei der Entwicklung einer diskriminierungssensiblen und solidarischen Haltung unterstützen, die dadurch wiederum aktiv an einem strukturellen Wandel hin zu einer inklusiveren und gerechteren Gesellschaft mitwirken (können). Angebote an der RUB, die einen Beitrag zu Chancengleichheit, Inklusion und Diversity leisten, finden sich im Fortbildungsportal (nur intern aufrufbar). 

Zur Person

Nina Bartholomé (sie/ihr) hat Gender Studies, Germanistik und Bildungswissenschaften in Heidelberg und in Bochum studiert und in ihrer Masterarbeit das Framing und die Anschlussfähigkeit von deutschsprachigem Menstruationsaktivismus analysiert. Seit 2016 arbeitet sie als Bildungsreferentin, Projektkoordinatorin und systemische Deeskalationstrainerin im Themenfeld der Sexismus- und Gewaltprävention, Demokratieförderung und Antidiskriminierung in Bildungseinrichtungen. Das Projekt UNSER CAMPUS – eine Kampagne gegen Sexismus an der RUB! koordiniert sie seit Mai 2023.

Weiterführende Literatur

  • Lipinsky, Anke; Schredl, Claudia; Baumann, Horst; Humbert, Anne Laure; Tanwar, Jagriti. (2022). Gender-based violence and its consequences in European Academia: first results from the unisafe survey.
  • Alves, Hans; Woitzel, Johanna; Fereidooni, Karim; Sabisch, Katja; Karle, Isolde. (2023). Studie zu Diskriminierungserfahrungen unter Studierenden an der Ruhr-Universität Bochum.

Veröffentlicht

Montag
02. Dezember 2024
09:44 Uhr

Von

Nina Bartholomé

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