Serie 500 Jahre Reformation
Mögliche Vorbilder für die Modernisierung der deutschen Kirchen sieht sie in den USA: Dr. Maren Freudenberg © RUB, Marquard

Religionswissenschaft „Die etablierten Kirchen müssen sich verändern“

Die Reformation hat vor 500 Jahren die Kirchenlandschaft durcheinandergewirbelt. Auch jetzt wäre es an der Zeit für Veränderungen, meint Religionssoziologin Maren Freudenberg.

Was verbinden Sie mit Martin Luther?
Ungewollt hat er mit anderen einen neuen christlichen Glaubenszweig geschaffen: den Protestantismus. Erstmals gab es damit eine Alternative zur römisch-katholischen Kirche in Europa. Im Zeitalter der Reformation entstanden verschiedene protestantische Strömungen – einige von ihnen fast basisdemokratisch organisiert. Dieser Wechsel von den Hierarchien des Katholizismus zu einer Gemeinschaft von zumindest formell gleichberechtigten Gläubigen ist in seiner gesellschaftlichen Wirkung nicht zu unterschätzen: Es waren Protestanten, die die erste neuzeitliche Demokratie begründeten, die USA.

Zur Person

Dr. Maren Freudenberg forscht seit September 2016 am Bochumer Centrum für Religionswissenschaftliche Studien. Sie beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit US-amerikanischer Religion, Gesellschaft und Kultur. Sie promovierte an der Freien Universität Berlin zu religiösem Wandel in den USA und war dort am John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien tätig. Während ihrer wissenschaftlichen Laufbahn absolvierte sie bereits mehrere Forschungsaufenthalte in den Vereinigten Staaten.

Was war Ihrer Meinung nach die bedeutendste Folge der Reformation, die unsere Gesellschaft heute noch prägt?
Die Reformation hat das ohnehin weltweit bunte religiöse Feld ausgeweitet: Im europäisch geprägten Christentum entwickelten sich ganz verschiedene protestantische Gruppen. Als protestantische Siedler gelangten sie ab dem 17. Jahrhundert nach Nordamerika. Aus ihnen ging eine Vielzahl neuer Religionsgruppen hervor. Zu ihnen gehören zum Beispiel die Mormonen, die Zeugen Jehovas und auch Teile der New-Age-Bewegung. Vor der Reformation waren die Möglichkeiten, den Glauben neu auszulegen oder abzuwandeln im römischen Christentum nicht gegeben – oder wenn, blieben entsprechende Versuche in ihrer Umsetzung erfolglos.

Erfolgreich sind Kirchen, die mehr Teilhabe und Gestaltungsspielraum bieten.

Was glauben Sie, wie sich die christliche Kirche in Zukunft verändern wird?
Die etablierten und hochgradig institutionalisierten Amtskirchen werden sich verändern müssen – oder das Nachsehen haben. Das Beispiel USA zeigt: Erfolgreich sind Kirchen, die mehr Teilhabe und Gestaltungsspielraum bieten. Evangelikale, charismatische Kirchen unterschiedlicher Couleur locken weltweit mit erfahrungsorientierten und emotionalen Gottesdiensten. Sie ermöglichen jedem und jeder Gläubigen eine direkte Beziehung zu Gott. Dabei spielen systematische Theologien eine untergeordnete Rolle. Die vergleichsweise rationale und bürokratische deutsche Kirchenkultur wird Gläubigen mehr Gestaltungsmacht sowie persönliche Gotteserfahrungen bieten müssen, um nicht weiter Mitglieder zu verlieren.

500 Jahre Reformation

Im Jahr 2017 wird in Deutschland und anderen Ländern das 500. Reformationsjubiläum gefeiert. Auch wenn die Erneuerungsbewegung ein jahrzehntelanger Prozess war, gilt der 31. Oktober 1517 als ihr Auftakt. An diesem Tag soll Martin Luther seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel der Kirche und die Käuflichkeit kirchlicher Ämter veröffentlicht haben. Die Bewegung führte nicht nur, wie anfangs beabsichtigt, zu einer Reformation der römisch-katholischen Kirche, sondern zur Spaltung des westlichen Christentums. Sie wirkte aber auch weit über den religiösen Bereich hinaus und beeinflusste Wirtschaft, Politik, Recht, Kunst, Sprache und Soziales.

Veröffentlicht

Montag
25. September 2017
09:21 Uhr

Von

Julia Weiler
Ulf Plessentin

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