Zu einer konventionellen Krippe gehören drei Könige. Fehlt da einer? © RUB, Marquard

Theologie Die heiligen vier Könige

Eine Legende besagt, Caspar, Melchior und Balthasar wären nicht allein gewesen, sondern hätten einen vierten Begleiter gehabt – Mythos oder Wahrheit?

Wenn man im Bekanntenkreis herumfragt, ob jemand die Geschichte vom vierten heiligen König kennt, wird nicht jeder mit Ja antworten. Aber der ein oder andere hat schon einmal davon gehört. Die Antworten, was es mit dem mysteriösen Weisen aus dem Morgenland auf sich hat, fallen jedoch recht unterschiedlich aus.

„Die Geschichte vom vierten König scheint eine perfekte Grundlage für die Legendenbildung zu sein“, erzählt RUB-Theologe Prof. Dr. Peter Wick. „Daher gibt es heute wohl so viele verschiedene Legenden darüber.“ Der Forscher weiß zu berichten, dass der Ursprung nicht auf biblische Zeiten zurückgeht, sondern auf ein Buch, das der amerikanische Theologe und Pfarrer Henry van Dyke Ende des 19. Jahrhunderts veröffentlichte. In seinem Werk „The Story of the other wise man“ taucht wohl erstmals der zusätzliche Weise auf, der dem heutigen Mythos vom vierten König zugrunde liegt. Van Dyke selbst spricht allerdings nicht vom vierten Weisen, sondern ohne Bezug auf eine Zahl lediglich von einem weiteren Weisen.

Vieles ist hinzugedichtet

„Ursprünglich wurde gar keine feste Anzahl von Weisen genannt“, sagt Wick. „Vieles an der Geschichte der heiligen drei Könige, wie sie heute in Deutschland bekannt ist, ist im Lauf der Zeit hinzugedichtet worden.“ Das Neue Testament betont lediglich, dass es sich um Gelehrte aus dem fernen Ausland im Osten handelte, die sich mit Astronomie und Sterndeutung auskannten. Im Lauf der Zeit wurden die Gelehrten dann zu Königen, ihre Anzahl auf drei beschränkt, und es kamen die Namen Caspar, Melchior und Balthasar hinzu. Wick: „Die Legendenbildung um diese Geschichte hat also schon früh begonnen.“

Er hat die Legende gezielt erfunden.


Peter Wick

Warum aber dichete Henry van Dyke gezielt einen weiteren Weisen hinzu? „Als van Dyke 40 war, starb sein Vater. Das war für ihn eine dramatische Erfahrung“, berichtet Peter Wick. „Er wurde schwer krank, konnte nicht mehr schlafen.“ In einer dieser Nächte sei ihm die Geschichte zugefallen, die er dann später aufgeschrieben habe. „Er hat die Legende gezielt erfunden, und die hat dann weitere Legenden gebildet“, so der RUB-Forscher. So werden heute viele verschiedene Geschichten vom vierten König erzählt.

Legende deutet Bibelstelle

Henry van Dyke verfolgte mit seiner Legende ein bestimmtes Ziel. „Er hatte die Absicht, eine andere Bibelstelle zu deuten“, erzählt Wick. Dieses Vorgehen klingt für christlich geprägte Ohren zunächst ungewöhnlich, ist in der jüdisch-rabbinischen Tradition aber durchaus üblich. „Es wird eine Geschichte erfunden, um eine bestimmte Bibelstelle genauer auslegen zu können“, sagt der Bochumer Theologe.

Peter Wick leitet an der RUB den Lehrstuhl für Exegese und Theologie des Neuen Testaments und ist Mitglied im Centrum für Religionswissenschaftliche Studien. © RUB, Marquard

Die Geschichte der Weisen aus dem Morgenland findet sich im zweiten Kapitel des Matthäus-Evangeliums. Van Dyke erfindet seine Legende jedoch eigentlich, um einen Teil des 25. Kapitels zu deuten. In diesem steht der Vers: „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“

Eine Geschichte von grenzenloser Menschenliebe

„In dieser Passage geht es darum, die Menschenliebe noch vor die Gottesliebe zu stellen“, erklärt Peter Wick. Genau diesen Gedanken schildert auch Autor Henry van Dyke. Der zusätzliche Weise in seiner Geschichte bricht mit drei Perlen als Geschenk auf, um den Messias zu finden. Auf seiner Reise trifft er immer wieder arme und leidende Menschen, für die er sich aufopfert – und von denen er sich aufhalten lässt. Mit einer seiner Perlen kauft er eine junge Frau aus der Sklaverei frei, mit einer weiteren besticht er einen Soldaten des Herodes, ein Kind nicht zu töten, und noch eine setzt er ein, um seine Vorräte aufzufüllen, nachdem er seinen ganzen Besitz an einen Bedürftigen verschenkt hat.

33 Jahre lang ist der Weise getrieben von dem Wunsch, den Heiland zu finden. Am Ende seines Lebens, als er selbst arm und müde ist, startet er einen letzten Anlauf und bricht nach Jerusalem auf. Dort trifft er am Tag der Kreuzigung Jesu ein. Die Erzählung von van Dyke mischt sich mit Bildern aus der Bibel: Eine Finsternis zieht auf, ein Erdbeben erschüttert die Stadt. Der vierte Weise wird von einem Ziegelstein am Kopf getroffen und ist dem Tode nahe. Mit seinem letzten Atemzug hört er eine Stimme zu ihm sagen: „Wahrlich, ich sage dir: Was du getan hast einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das hast du mir getan.“

„Der Weise in van Dykes Geschichte hatte sein Leben lang das Gefühl, sein Ziel zu verpassen, weil er den Messias nicht fand, sondern sich immer wieder von dem Leid um sich herum hat ablenken lassen“, erklärt Peter Wick die Bedeutung. „Dabei hat er Gottes Wunsch ständig verwirklicht.“

Veröffentlicht

Donnerstag
04. Januar 2018
12:02 Uhr

Von

Julia Weiler

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