Serie Grenzgänger
Prof. Dr. Constance von Rüden plädiert dafür, den potenziellen ideologischen Missbrauch von Forschungsergebnissen nicht außer Acht zu lassen.
© Damian Gorczany

Archäologie Wenn Forschung missbraucht wird

Lieber auf eine hochkarätige Publikation verzichten, als mit halbgaren Ergebnissen Ängste in der Bevölkerung schüren, meint Constance von Rüden.

Vor allem in der NS-Zeit haben sich Forschungsinstitute in Deutschland über ethische Grenzen systematisch hinweggesetzt und der Wissenschaft damit großen Schaden zugefügt. Heute wird die Gefahr des konkreten Missbrauchs gerade naturwissenschaftlicher Forschungsergebnisse viel diskutiert, während ihre ideologische Nutzung oft marginalisiert wird – obwohl sie weitreichende Auswirkungen hat.

In der Archäologie werden derzeit zahlreiche DNA-Studien durchgeführt, um eingewanderte und damit anscheinend fremde Bevölkerung zu identifizieren. Solche Studien genießen ein hohes Prestige und sind leicht in renommierten Zeitschriften unterzubringen; oft wird für die Analysen aber eine unzureichende Probenanzahl verwendet.

Ängste werden geschürt

Die Auswirkungen dieser Studien in einem derzeit nach Abgrenzung und nationaler Identität strebenden Europa werden außer Acht gelassen. Manche Forscher proklamieren einen völligen Austausch der zentraleuropäischen Bevölkerung in der Frühen Bronzezeit, weil in den genommenen Proben DNA enthalten war, die zuvor nicht in Mitteleuropa zu finden war. Diese Ergebnisse stoßen bei bestimmten politischen Gruppen auf Interesse. Damit werden die heutigen Ängste vor Überfremdung weiter geschürt.

Meines Erachtens müssen wir diesen Missbrauch in unseren Forschungen mitdenken und im Zweifel lieber auf eine prestigeträchtige Publikation verzichten.

Veröffentlicht

Donnerstag
01. März 2018
09:21 Uhr

Von

Constance von Rüden

Dieser Artikel ist am 27. April 2018 in Rubin 1/2018 erschienen. Die gesamte Ausgabe können Sie hier als PDF kostenlos downloaden. Weitere Rubin-Artikel sind hier zu finden.

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