Biophysik Infrarotsensor als neue Methode für die Wirkstoffentwicklung
Änderungen am Gerüst von Proteinen zeigen schnell, ob ein Medikament wirkt.
Mit einem Infrarotsensor ist es Biophysikern der RUB gelungen, schnell und einfach zu untersuchen, welche Wirkstoffe die Struktur von Proteinen beeinflussen und wie lange diese Wirkung anhält. Prof. Dr. Klaus Gerwert und Dr. Jörn Güldenhaupt konnten damit Strukturveränderungen am Gerüst von Proteinen, die von Wirkstoffen ausgelöst wurden, zeitaufgelöst messen. Ihre Methode könnte künftig helfen, Medikamente mit weniger Nebenwirkungen schneller und passgenauer zu entwickeln. Über die Arbeiten, die im Rahmen des von der Europäischen Union geförderten Programms „Innovative Medicines Initiative“ im Projekt „Kinetics for drug discovery“ (K4DD) durchgeführt wurden, berichtet das Team in der Zeitschrift Angewandte Chemie vom 17. Mai 2018.
Wirkstoffe können die Struktur von Zielproteinen ändern
Die Wirkung vieler Medikamente beruht darauf, den Stoffwechsel von Zellen zu beeinflussen, indem sie die Aktivität bestimmter Proteine gezielt hemmen. Dazu muss das Wirkstoffmolekül an das jeweilige Zielprotein binden, wobei sich der Wirkstoff meist in den häufig taschenartig vertieften funktionellen Bereichen von Proteinen festsetzt.
Bei einigen Wirkstoffen verändert die Bindung an das Zielprotein zusätzlich die Struktur der Proteinoberfläche. Durch eine solche sogenannte Konformationsänderung werden neue Oberflächenbereiche und Bindetaschen zugänglich, an die man einen Wirkstoff weiter anpassen kann. Das führt oft zu einer besseren Selektivität von Wirkstoffen und damit zu weniger Nebenwirkungen.
Neue Methode erlaubt schnelle Messung
„Der Einfluss eines Wirkstoffs auf die Struktur eines Zielproteins wird bislang mit sehr zeit- und materialaufwendigen Methoden untersucht, die zwar sehr detaillierte räumliche Informationen bieten, aber erst nach Wochen bis Monaten ein Ergebnis liefern“, erklärt Jörn Güldenhaupt.
Die von den Bochumer Forschern entwickelte Methode liefert Informationen über Strukturänderungen dagegen innerhalb von Minuten und kann sogar die Art der Strukturänderung eingrenzen.
Infrarotspektren durch einen Kristall aufnehmen
Der Sensor basiert auf einem für Infrarotlicht durchlässigen Kristall. Auf seiner Oberfläche wird das Zielprotein gebunden. Durch den Kristall hindurch werden die Infrarotspektren aufgenommen, während gleichzeitig Lösungen mit oder ohne Wirkstoff über die Oberfläche gespült werden. Der Sensor detektiert Änderungen im struktursensitiven Spektralbereich des Proteins, die charakteristisch für das Gerüst eines Proteins ist. Falls es hier zu Änderungen kommt, ist klar, dass der Wirkstoff die Proteinform verändert hat.
„Da unser Sensor als Durchflusssystem arbeitet, können wir die Wirkstoffe nach der Bindung wieder vom Zielprotein abspülen und so auch den zeitlichen Verlauf der Wirksamkeit messen“, erklärt Klaus Gerwert.