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Die Welt nach Edward Snowden
Im Sommer 2013 ging Edward Snowden, damals Mitarbeiter des US-Geheimdienstes, mit Dokumenten an die Öffentlichkeit, die belegten, was Forscher schon viel früher als möglich vorausgesagt hatten: Staatliche Organisationen hatten sich heimlich Hintertürchen in Verschlüsselungsmechanismen eingebaut und bespitzelten so alles, was im Internet unterwegs war.
Enthüllungen haben etwas verändert
„Diese Enthüllungen haben etwas verändert“, sagt Mary Shnayien. Was genau, untersucht sie in ihrer Doktorarbeit, die sie im Forschungskolleg Sec-Human anfertigt. Die Medienwissenschaftlerin bildet dabei ein Tandem mit Benedikt Auerbach, der als Mathematiker am Lehrstuhl für Kryptographie an seiner Dissertation arbeitet.
„Auf den ersten Blick haben unsere Arbeiten nicht allzu viel gemeinsam, außer dass sie sich mit den Auswirkungen der Snowden-Enthüllungen befassen“, sagt Auerbach. In seiner Arbeit geht es konkret darum, nachweisbar hintertürfreie Verschlüsselungsverfahren zu entwickeln. „Aber nachdem wir uns viel geduldig ausgetauscht haben, profitieren wir voneinander, zum Beispiel weil sich die Perspektive auf die Sache ändert und wir unsere Arbeit in einen größeren Kontext einordnen können.“
Während Benedikt Auerbach sich mit der Absicherung kryptographischer Verfahren gegen den Einbau versteckter Hintertüren beschäftigt, nimmt Mary Shnayien alles unter die Lupe, was ihr zum Thema Privatheit und Sicherheit unterkommt: Texte on- und offline, Filme, Fernsehsendungen, wissenschaftliche Veröffentlichungen. Ziel ist es herauszufinden, wie Sicherheit und Privatheit in unserer Gesellschaft organisiert sind und ob sich nach Snowden daran etwas geändert hat.
Die Grundfrage ist aber: Was ist eigentlich Sicherheit? Wovor will man sicher sein?
„Zuerst erscheint das wie ein riesiger, unüberschaubarer Forschungsgegenstand“, sagt sie, „aber nachdem ich viel analysiert hatte, zeichneten sich Denkmuster ab.“ So zum Beispiel die Immunologie als Hauptfigur für Sicherheit, daher die Bezeichnung von Schadprogrammen als Computerviren. Auch das militärisch geprägte Bild von Eindringlingen, gegen die man ein geschlossenes System verteidigen muss, wiederholt sich.
„Die Grundfrage ist aber: Was ist eigentlich Sicherheit? Wovor will man sicher sein?“, fragt die Doktorandin. „Häufig findet man Argumentationen, die Sicherheit und Privatheit gegeneinander ausspielen.“ Nach Snowden, hat sie festgestellt, redet man mehr über Hintertüren als Mittel der Massenüberwachung. Die Schaffung von Backdoors als scheinbar notwendige Maßnahme für die innere Sicherheit wird in Deutschland in den letzten Jahren von der Politik teilweise direkt eingefordert – auch deshalb werden sie in den deutschen Medien präsenter.“
Einblicke, die man sonst nie gehabt hätte
„Unter den Kryptografen ist die Zahl derer gestiegen, die sich um den Schutz vor großskaligen Angreifern kümmern, nachdem durch Snowden klar war: Solche Art der Überwachung passiert wirklich“, sagt Benedikt Auerbach.
Beide Forscher treffen sich regelmäßig zum gegenseitigen Austausch und einmal im Monat zum Kolloquium mit den anderen Doktoranden aus Sec-Human. Diese Treffen helfen, sein eigenes Forschungsvorhaben verständlich darzustellen, sind sich die beiden einig. „Auch wenn aus unseren Arbeiten wohl keine gemeinsame Veröffentlichung hervorgehen wird, ist die Verbindung unserer Fächer ein Erfolg“, meint Auerbach. „Man erhält Einblicke, die man sonst nie gehabt hätte“, ergänzt Shnayien.
Seit Juli 2016 fördert das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen das NRW-Forschungskolleg Sec-Human an der Ruhr-Universität in Kooperation mit der Technischen Universität Dortmund und der Fachhochschule Dortmund. Ziel ist der Brückenschlag zwischen theoretischer IT-Sicherheit und ihrer praktischen Anwendung im täglichen Leben.
13 Doktorandinnen und Doktoranden bearbeiten interdisziplinäre Fragen rund um das Leitthema „Sicherheit für Menschen im Cyberspace“. Hochschullehrerinnen und -lehrer aus den Bereichen Elektrotechnik, Mathematik, Medienwissenschaft, Germanistik, Anthropologie, Jura, Sozialwissenschaft und Pädagogische Psychologie sowie eine Gruppe von Praxispartnern unterstützten sie dabei.
22. Oktober 2018
09.37 Uhr