Judith Hahn ist Expertin für katholisches Kirchenrecht.
© RUB, Marquard

Maria 2.0 Die Rolle der Frau in der Kirche ist nicht gottgegeben

Warum endet die Gleichberechtigung von Frau und Mann am Kirchenportal? Eine Kirchenrechtlerin erklärt die Situation.

Vom 11. bis 18. Mai protestieren Katholikinnen in ganz Deutschland unter dem Namen Maria 2.0. Sie besuchen keine Gottesdienste und verrichten ihre üblichen Arbeiten in der Kirche nicht. So wollen sie unter anderem erreichen, dass Frauen Zugang zu allen Kirchenämtern bekommen. Wieso das bisher nicht der Fall ist und welche Schritte nötig sind, um das zu ändern, erklärt Prof. Dr. Judith Hahn, Leiterin des Lehrstuhls für katholisches Kirchenrecht an der RUB.

Nur wer geweiht ist, sei fähig, Kirchenämter mit Leitungsgewalt auszufüllen.

Frau Prof. Dr. Hahn, Frauen ist es prinzipiell erlaubt, in der katholischen Kirche zu arbeiten, zum Beispiel bei der Vorbereitung von Gottesdiensten. Zu Entscheidungsfunktionen ist ihnen jedoch der Zugang verwehrt. Wie ist das kirchenrechtlich begründet?
Das gegenwärtige Recht der Kirche verbindet Leitung mit Weihe. Nur wer geweiht ist und über Weihegewalt verfügt, sei fähig, Kirchenämter mit Leitungsgewalt auszufüllen. Diese Konstruktion ist weniger traditionsreich, als manche denken, sie stammt weitgehend aus dem 19. Jahrhundert. Dahinter steht die diskussionswürdige Vorstellung, dass Vollmacht in der Kirche eine Einheit darstellen müsse.

Diese Idee der „einen Kirchengewalt“ führt zur der problematischen Situation, dass das Recht nur den Klerikern, also den Geweihten, Zugang zu kirchlichen Entscheidungsfunktionen eröffnet.

Der Kirche steht es rechtlich frei, die Rollen von Frauen und Männern anders zu ordnen, als es der Staat tut.

Wieso kann die Kirche überhaupt ihre eigenen Gesetze machen und was passiert, wenn diese nicht mit staatlichem Recht in Einklang stehen, so wie zum Beispiel beim im Grundgesetz verankerten Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau?  
Jede Rechtsgemeinschaft kann ihre eigenen Gesetze machen. Recht ist ein plurales Phänomen und wird von sehr unterschiedlichen Akteuren erzeugt: vom Staat, von der Europäischen Union, von internationalen Organisationen, Religionsgemeinschaften und soweiter. Das ist erst mal gar nichts Ungewöhnliches. Das Recht der nichtstaatlichen Rechtsgemeinschaften kann dabei durchaus vom staatlichen abweichen.

Der Kirche steht es rechtlich frei, die Rollen von Frauen und Männern anders zu ordnen, als es der Staat tut. Aber: Ob die Mitglieder der Kirche das auch akzeptieren, steht auf einem anderen Blatt. Der Kirchenstreik Maria 2.0 zeigt, dass diese Abweichung hierzulande keine durchgängige Akzeptanz mehr findet.

Die Entkopplung von Weihe und Leitung könnte erste Lösung sein

Was müsste passieren, damit Frauen in der katholischen Kirche die gleichen Rechte bekommen wie Männer, und wer entscheidet darüber?
Diese Entscheidung müsste auf höchster kirchlicher Leitungsebene fallen, bei Papst und Bischofskollegium.

Ein zentrales Problem ist aber, dass vielfach in Abrede gestellt wird, die Kirche könne das überhaupt entscheiden. Bezüglich einer Öffnung der Priesterweihe für Frauen wird kirchenamtlich betont, der Kirche stehe das aufgrund des Vorbilds Christi – seiner Auswahl ausschließlich männlicher Apostel – und aus Treue zu ihrer Tradition gar nicht frei, das heißt, sie könne Frauen nicht weihen, selbst wenn sie es wolle.

Solange die Debatte an diesem Punkt bleibt, dass es um ein Nichtkönnen und nicht um ein Nichtwollen gehe, ist kaum ersichtlich, wie die Frage vorankommen kann. Mehr Kompetenzen für Frauen in der Kirche wären allerdings bereits dadurch zu erreichen, dass man die problematische Kopplung von Weihe und Leitung löst. Die ist, wie gesagt, nicht vom Himmel gefallen. Trotzdem tut man sich schwer, hier Fakten zu schaffen. Das ändert freilich nichts daran, dass Veränderungen möglich sind, wenn man – und das ist in der Kirche aktuell immer noch „Mann“ – sie will.

Veröffentlicht

Donnerstag
16. Mai 2019
09:19 Uhr

Von

Raffaela Römer

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