Serie Standpunkt
Albert Newen leitet an der RUB das Institut für Philosophie II.
© Damian Gorczany

Standpunkt „Roboter sind Fachidioten“

Nur zusammen mit dem Menschen können künstliche Intelligenzen dauerhaft besondere Leistungen erbringen, meint Philosoph Prof. Dr. Albert Newen. Trotzdem gehe durchaus eine Gefahr von ihnen aus.

Systeme der künstlichen Intelligenz (KI) durchdringen stetig neue Bereiche: Als in den 90er-Jahren der damalige Schachweltmeister Garri Kimowitsch Kasparow von dem KI-System Deep Blue geschlagen wurde, erregte dies großes Aufsehen. Heute sind wir um einiges weiter. Beispielsweise kann man medizinische KI-Systeme auf eine bestimmte Krankheit trainieren, etwa auf das Erkennen von Lungenkrebs oder schwarzem Hautkrebs. Der Rechner kann die Computertomografien oder Hautfotos besser analysieren als der Facharzt.

Dahinter steht ein Grundprinzip der gegenwärtigen KI, nämlich die Analyse von hunderttausenden von Beispielen (Big Data) mit automatischen Lernprinzipien (Deep Learning) in kurzer Zeit. Die Systemleistungen sind besser als die eines Menschen, weil mehr Beispiele erfasst werden als ein Mensch es jemals vermag.

Roboter empfangen die Hotelgäste

Wie steht es mit praktischen Fähigkeiten? In Japan wurde das erste reine Roboterhotel eröffnet. Dino-Roboter erwarten die Gäste am Empfang. Die Industrie strebt selbstfahrende Autos an, die autonom durch den Straßenverkehr steuern. Können KI-Systeme damit nicht einfach alle lästigen oder gefährlichen Aufgaben übernehmen und uns einen neuen Lebensstandard bescheren?

Scheinbar nicht. Denn bei den praktischen Fähigkeiten von autonomen Robotern tritt zunehmend Ernüchterung ein: Die Systeme funktionieren nur dann gut, wenn sie eine eng begrenzte Aufgabe ausführen. Leicht veränderte Herausforderungen führen oft zum Versagen: Im oben erwähnten Roboterhotel beispielsweise wurden mittlerweile die Hälfte aller Roboter als ineffizient stillgelegt und durch Menschen ersetzt.

Roboter werden nicht alleine handeln, sondern im Verbund mit Menschen.

Werden die Roboter also wieder ganz verschwinden? Nein! Nur sie werden nicht alleine handeln, sondern im Verbund mit Menschen. Nur zusammen mit dem Menschen ermöglichen die KI-Roboter dauerhaft besondere Leistungen. Sie sind Fachidioten, die den Menschen mit Alltagsverstand brauchen, weil sie ihre Grenzen nicht erfassen.

Die eigentliche Stärke der gegenwärtigen KI-Systeme sind die theoretischen Analysen von großen Datenmengen. Sie ermöglichen zum Beispiel die Kauf-Empfehlungen, die jeder Nutzer im Internet angezeigt bekommt. Doch auch hier verbergen sich grundlegende Risiken, denn dies betrifft auch intime Daten und unsere Freiheit: Durch die Analyse der Einkaufsdaten bei einer US-Supermarktkette wurde beispielsweise die Schwangerschaft einer Minderjährigen erfasst, bevor ihr Vater diese erkennen konnte.

Der Missbrauch unserer persönlichen Daten, um damit eine Herrschaft zu stabilisieren oder um Wahlen zu beeinflussen, ist eine der größten gegenwärtigen Gefahren.

Die völlige Transparenz der Persönlichkeit ist ein Programm des chinesischen Staats, welches mit einem Sozialpunktesystem verknüpft eine Totalüberwachung der Bevölkerung ermöglichen soll: Aufgrund von unerwünschtem Verhalten wie kritische Meinungsäußerungen erhält man einen niedrigen Punktestand und darf weder Flugzeug noch Schnellzug benutzen – im Jahr 2018 gab es 20 Millionen dieser Verbote!

Der Missbrauch unserer persönlichen Daten, um damit eine Herrschaft zu stabilisieren oder um Wahlen zu beeinflussen, ist eine der größten gegenwärtigen Gefahren. Wir sollten die Chancen der KI nutzen, aber zugleich Maßnahmen ergreifen, so dass unsere Bürgerrechte nicht unterhöhlt werden.

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Veröffentlicht

Montag
26. August 2019
09:09 Uhr

Von

Albert Newen

Dieser Artikel ist am 4. November 2019 in Rubin 2/2019 erschienen. Die gesamte Ausgabe können Sie hier als PDF kostenlos downloaden. Weitere Rubin-Artikel sind hier zu finden.

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