Internationale Graduiertenschule Wie Armut in Entwicklungsländern erfolgreich bekämpft werden kann
Ein neues EU-Programm will den Blick weiten.
Ohne Berücksichtigung struktureller Unterschiede zwischen Entwicklungs- und Industrieländern und ohne Blick über die Grenzen einzelner Fachgebiete lässt sich das in Entwicklungsländern weit verbreitete Phänomen absoluter Armut kaum verstehen. Ein „European Joint Doctorate“ (EJD) unter Koordination des Instituts für Entwicklungsforschung und Entwicklungspolitik der RUB geht neue Wege. In dieser multidisziplinären Graduiertenschule entwickeln 15 internationale Doktorandinnen und Doktoranden Konzepte zum Zusammenwirken von absoluter Armut und Wirtschafts- und Reformdynamik und prüfen diese durch empirische Forschung mit Fokus auf afrikanische Entwicklungsländer. Die Graduiertenschule wird ab 1. Februar 2021 für vier Jahre mit 3,9 Millionen Euro von der EU-Kommission gefördert.
Noch immer leben Millionen Menschen in extremer Armut
Die weltweite Reduzierung extremer Armut ist das erste der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung, die die Vereinten Nationen bis 2030 erreichen wollen. „Zwar haben viele Entwicklungsländer seit 1990 den Anteil der in Armut lebenden Bevölkerung deutlich reduzieren können, aber eben nicht alle“, sagt Prof. Dr. Wilhelm Löwenstein, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Entwicklungsforschung und Entwicklungspolitik der RUB, kurz IEE. „In den afrikanischen Staaten südlich der Sahara lebten 2017 noch immer 400 Millionen Menschen in extremer Armut.“ Diese Form von Armut – Hunger, Mangelernährung, fehlender Zugang zu sauberem Wasser oder zu medizinischer Versorgung und Bildung – wird als Quelle von Instabilität und Konflikten angesehen.
Traditionell steht die Ursachenforschung im Mittelpunkt, die die Existenz und die Verbreitung absoluter Armut mit Wachstums- und Innovationsschwäche, mit mangelnder Rechtsdurchsetzung, schlechter Regierungsführung und Korruption, mit Diskriminierung und ungleicher Verteilung begründet. Die aus dieser Diagnose folgenden Rezepte zur Armutsbekämpfung liegen auf der Hand: Entwicklungsländer müssten nur ihre Wirtschafts-, Rechts-, Verwaltungs- und Sozialsysteme nach dem Vorbild der Industrieländer reformieren, dann würde absolute Armut automatisch verschwinden.
Diese Gleichung ist zwar für Industriestaaten plausibel, sie geht aber in Entwicklungsländern häufig nicht auf. Daher gibt sich die vom IEE koordinierte Graduiertenschule nicht mit ihr zufrieden, sondern dreht sie um: Statt die Wirkungen von Reformen auf absolute Armut in den Mittelpunkt zu stellen, konzentrieren 15 internationale Doktorandinnen und Doktoranden ihre Forschungen auf die bisher vernachlässigte Frage, wie das aktuelle Ausmaß absoluter Armut die Wirtschafts- und Reformdynamik in einem Entwicklungsland beeinflusst und damit seine Fähigkeit, kurzfristig nennenswerte Erfolge bei der Armutsreduktion zu erzielen.