Religion Der Glaube der Nachbarn ist kein Thema
Erziehung, Sozialisierung, Generation und Geschlecht bestimmen, wie wir religiöse Vielfalt wahrnehmen.
Im Alltag sind wir von Menschen verschiedener Glaubensrichtungen umgeben. Wie wir das wahrnehmen und was das mit der eigenen Religion macht, haben Dr. Anna Neumaier vom Zentrum für Angewandte Pastoralforschung und Prof. Dr. Gritt Klinkhammer, Professorin für „Empirische Religionsforschung und Theorie der Religion“ an der Uni Bremen, untersucht. Ihr Buch „Religiöse Pluralitäten – Umbrüche in der Wahrnehmung religiöser Vielfalt in Deutschland“ steht kostenlos zum Download bereit.
Religiöse Pluralität im Alltag
Im Zentrum des Buchs steht die Wahrnehmung der religiösen Pluralität im Alltag von Menschen christlichen und muslimischen Glaubens in Deutschland. Ein Befund: Eine religiöse Pluralität gibt es nicht. Die individuellen Wahrnehmungen führen zu ganz unterschiedlichen Pluralitäten.
Seit langem sind Theorien bekannt, die einen Plausibilitätsverlust von Religion befürchten, wenn mehrere religiöse Spieler auf dem Feld sind. Oder führt Pluralität eher in eine Fundamentalisierung der eigenen Religion, wie andere Theorien voraussagen? Die Forschung von Neumaier und Klinkhammer zeigt ein anderes Bild. Erziehung, Sozialisierung, Geschlecht und Generation spielen eine große Rolle dafür, wie religiöse Vielfalt individuell erfahren wird. Auch nehmen viele Menschen die religiöse Diversität ihrer direkten Umgebung gar nicht unbedingt wahr. So wird mit dem muslimischen Nachbarn zwar gemeinsam Fußball geschaut, aber die Fußballfans diskutieren nicht über den Islam. Dieser Diskurs über „die andere Religion“ findet vor allem in den Medien statt.
Viele Interviews
Ausgehend von der individuellen Wahrnehmung von religiöser Pluralität stellen die Autorinnen im Buch eine zweite Frage: Welche Konsequenzen haben diese Wahrnehmungen für die religiöse Identität der Betreffenden? Auf der Grundlage einer Vielzahl von Interviews haben die Forscherinnen drei idealtypische Weisen herausgearbeitet, wie religiöse Pluralität in Bezug auf die eigene Identität verarbeitet wird.