Forschung Hintergrundinformationen zur Studie an gelähmten Mäusen
Auf die Meldung zu einer Studie über Querschnittslähmung an Mäusen haben die RUB zahlreiche Rückfragen erreicht.
Ein Designer-Zytokin lässt ehemals gelähmte Mäuse wieder gehen – diese Meldung war ein wissenschaftlicher Durchbruch, der weltweit für großes Interesse gesorgt hat. Es konnte erstmals gezeigt werden, dass vollständig querschnittsgelähmte Säugetiere, zu denen auch wir Menschen gehören, wieder laufen können. Diese Erkenntnisse könnten auch zukünftige Therapieoptionen beim Menschen eröffnen. Allerdings haben die RUB dazu auch zahlreiche Rückfragen erreicht, und einige Aussagen wurden offensichtlich missverstanden. Hier konkretisieren wir die Informationen.
Rückfragen zu den Methoden
Missverständnisse gab es zum einen zu den in der Studie verwendeten Methoden. Einige Leserinnen und Leser vermuteten fälschlicherweise, dass den Versuchstieren die Wirbelsäule zerstört worden sei. Das ist nicht korrekt: Bei den Versuchstieren wird in einem mikrochirurgischen Eingriff unter Vollnarkose das Rückenmark mit einer 0,15 Millimeter breiten Pinzette gequetscht. Dies führt zu Lähmungen der Hinterläufe, die Vorderläufe sind nicht betroffen. Die dabei hervorgerufene Rückenmarksschädigung ist mit den Verletzungen, die nach Unfällen beim Menschen auftreten können, vergleichbar.
Es stimmt ebenfalls nicht, dass neugeborenen Mäusen der Schädel geöffnet wird. Bei neugeborenen Mäusen wird unter Vollnarkose durch den intakten Schädel, der bei Mäusen in diesem Alter noch nicht verknöchert ist und daher mit einer Glas-Mikrokapillare durchstochen werden kann, wenige Nanoliter eines Vektors injiziert, der von den Nervenzellen am Injektionsort aufgenommen und integriert wird. Bei dem Vektor handelt es sich um bestimmte Viren, die den genetischen Bauplan des Zytokins enthalten, das die Zellen herstellen sollen. Da das Gehirn keine Schmerzrezeptoren enthält, ist die Injektion für das Tier nicht schmerzhaft. Weitere Eingriffe erfolgen bei den Neugeborenen nicht.
Im Anschluss an die Untersuchungen müssen die Versuchsergebnisse für die Interpretation eines möglichen Therapieerfolges histologisch untersucht werden. Daher ist es unerlässlich, dass die Tiere später eingeschläfert werden.
Übertragbar auf den Menschen?
Die Übertragbarkeit der Studienergebnisse auf den Menschen gab ebenfalls Anlass für viele Rückfragen. Sicherlich kann die im Versuch an den Mäusen verwendete Methode nicht genau so am Menschen eingesetzt werden, sondern müsste angepasst werden. Die Studien sind jedoch sehr relevant für den Menschen, da das im Versuch eingesetzte Hyper-Interleukin-6 – das Designer-Zytokin, das letztlich zur Heilung der beschädigten Nervenverbindungen geführt hat – auch auf menschliche Neurone wirkt.
Die geplanten Versuche wurden vorab von einer unabhängigen, behördlichen Tierkommission, in der auch Tierschützer vertreten sind, geprüft und von der zuständigen Landesbehörde genehmigt. Ein Versuchsvorhaben wird nur akzeptiert, wenn die medizinische Relevanz für eine mögliche Therapie am Menschen gegeben ist.
Im Genehmigungsverfahren wird die wissenschaftliche Unerlässlichkeit des Versuchsvorhabens geprüft und die versuchsbedingten Belastungen der Tiere werden nur dann akzeptiert, wenn sie im Hinblick auf das Versuchsziel ethisch vertretbar sind.
Gibt es Alternativen zum Tierversuch?
Die Forschung versucht, Tierversuche wenn irgend möglich zu vermeiden. Verschiedene Methoden stehen dafür zur Verfügung. Die entsprechenden Zellkulturversuche wurden im Vorfeld der Tierversuche hier vollständig ausgeschöpft. Nur weil diese Ergebnisse positiv waren, hat das Forschungsteam die Tierversuche durchgeführt. Denn eine Überprüfung auf eine funktionelle Regeneration im Rückenmark kann nur im Tier selbst erfolgen. Die verfügbaren In-vitro-Methoden sind für dieses Versuchsvorhaben nicht einsetzbar, weil der kritische Test für die Bestätigung des therapeutischen Erfolges die wiedererlangte Beweglichkeit der Hinterläufe beziehungsweise die Gehfähigkeit ist. Kein In-vitro-Verfahren kann das bis heute leisten.