Unterwasserplasmen CO2-Recycling mithilfe von Plasma und Elektrolyse
Plasmen in Flüssigkeiten kommen längst bei der Wasserreinigung und Wundbehandlung zur Anwendung. Nun sollen sie die Effizienz und Lebensdauer einer Elektrolysezelle verbessern, die zur C02-Umwandlung eingesetzt wird.
Gleißend hell zündet das Plasma und durchreißt für wenige Millardstelsekunden blitzartig das Wasser. Dr. Katharina Grosse vom Sonderforschungsbereich 1316 „Transiente Atmosphärendruckplasmen: vom Plasma zu Flüssigkeiten zu Festkörpern“ (RUB) gelingen spektakuläre Aufnahmen, die den Zündungsprozess von Plasma unter Wasser anschauen und zeitscharf verfolgen lassen. Die Wissenschaftlerin liefert die ersten Datensätze mit sehr hoher Zeitauflösung und unterstützt eine Hypothese zur Zündung dieser Plasmen: Im Nanosekundenbereich reicht die Zeit nicht aus, um eine Gasumgebung zu formen. Das Nanosekunden-Plasma zündet direkt in der Flüssigkeit. Die während der Zündung entstandenen Teilchen können effizient mit katalytischen Oberflächen wechselwirken.
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Doch wie zündet das Plasma in diesen kurzen Zeitskalen? Was passiert danach? Welche Stoffe werden produziert? Und wie wird diese Zündung in der Flüssigkeit überhaupt erst möglich? In ihrer Doktorarbeit geht Physikerin Grosse ebendiesen Fragen nach. Dazu legt sie an eine haarfeine, in Wasser untergetauchte Elektrode für zehn Nanosekunden eine hohe Spannung an. Das so erzeugte starke elektrische Feld führt zur Zündung des Plasmas. Mittels schneller optischer Spektroskopie in Kombination mit einer Modellierung der Flüssigkeitsdynamik gelingt es der Bochumer Forscherin, Leistung, Druck und Temperatur in diesen Unterwasserplasmen vorherzusagen und somit den Zündungsprozess und die Plasmaentwicklung im Nanosekundenbereich aufzuklären.
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Heißer als die Sonne
Ihre Beobachtung: Zum Zeitpunkt der Zündung existieren extreme Verhältnisse im Wasser. Kurzzeitig entstehen Drücke von vielen Tausend Bar, was dem Druck am tiefsten Punkt im Pazifik entspricht oder diesen sogar übersteigt, sowie Temperaturen von vielen tausend Grad ähnlich zur Oberflächentemperatur der Sonne. „In den Plasmen wird zudem für kurze Zeit eine Leistung von einigen 100 Kilowatt verbraucht, was der Anschlussleistung von mehreren Einfamilienhäusern entspricht“, erklärt Prof. Dr. Achim von Keudell, Grosses Doktorvater und Inhaber des Lehrstuhls für Experimentalphysik II.
Um zu diesen Messergebnissen zu gelangen, ist ein komplizierter Aufbau notwendig, den Katharina Grosse etwa ein Jahr lang entwickelte: „Die elektromagnetische Interferenz ist sehr stark und beeinträchtigt die gesamte Messelektronik. Wir haben einen großen Metallkäfig um die Plasmakammer bauen müssen, um diese Störquelle zu umgehen. Eine weitere Schwierigkeit bestand darin, die Gleichzeitigkeit von spektroskopischer Messung und Kameraaufnahme zu gewährleisten.“
Plasmaentwicklung sichtbar machen
Das Tüfteln hat sich gelohnt. Die Plasmaentwicklung lässt sich sehr genau beobachten. Die Aufnahmen stellen die bisher gängige Theorie infrage. Diese ging bislang davon aus, dass sich an der Spitze der Elektrode eine hohe negative Druckdifferenz bildet, die dazu führt, dass sich in der Flüssigkeit sehr kleine Risse mit Ausdehnungen im Bereich von Nanometern bilden, in denen sich dann das Plasma ausbreiten kann. „Man nahm an, dass eine Elektronenlawine sich in den Rissen unter Wasser bildet und damit die Zündung des Plasmas möglich macht“, so von Keudell. Die Aufnahmen des Bochumer Forscherteams legen jedoch nahe, dass das Plasma „lokal innerhalb der Flüssigkeit gezündet wird“, erklärt Grosse.
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Tunneleffekte unter Wasser
Bei ihrem Erklärungsansatz bedient sich die Physikerin am quantenmechanischen Tunneleffekt. Er beschreibt die Tatsache, dass Teilchen eine Energiebarriere überqueren können, die sie nach den Gesetzen der klassischen Physik eigentlich nicht überqueren können dürften, weil sie dafür selbst zu wenig Energie besitzen. „Schaut man sich die Aufnahmen der Plasmazündung an, so deutet alles darauf hin, dass einzelne Elektronen durch die Energiebarriere der Wassermoleküle zu der Elektrode hin tunneln und dort das Plasma lokal zünden, und zwar genau dort, wo das elektrische Feld am höchsten ist“, sagt Grosse. Eine Theorie, für die viel spricht und die in der Fachwelt für große Diskussionen sorgt. Weiterführende Experimente mit negativen Pulsen sollen Grosses Tunnel-Theorie stützen.
Wasser wird in seine Bestandteile zerlegt
So faszinierend der Zündungsprozess unter Wasser ist, so vielversprechend sind auch die Ergebnisse der chemischen Reaktion für die Praxis. Die Emissionsspektren zeigen, dass die Wassermoleküle bei Nanosekunden-Pulsen keine Gelegenheit mehr haben, den Druck des Plasmas auszugleichen. Durch die Plasmazündung werden sie in ihre Bestandteile zerlegt, atomaren Wasserstoff und Sauerstoff. Letzterer reagiert gern mit Oberflächen. Und hier genau liegt das große Potenzial, erklärt Physikerin Grosse: „Der frei gewordene Sauerstoff kann möglicherweise katalytische Oberflächen in elektrochemischen Zellen re-oxidieren, sodass sie regeneriert werden und ihre katalytische Aktivität wieder voll entfalten können.“
Unterwasserplasmen und Elektrolyse
Wie genau soll das gelingen? Lassen sich Plasma und Elektrolyse kombinieren? Auf diese Fragen sucht RUB-Doktorand und Chemiker Philipp Grosse am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin Antworten. „Elektrochemische Zellen“, erklärt er, „helfen unter anderem dabei, Kohlendioxid zu reduzieren, zu recyceln und in nützliche Chemikalien umzuwandeln. Dazu ist ein Katalysator notwendig. Während des elektrochemischen Prozesses nutzen sich die katalytischen Oberflächen allerdings ab und verlieren ihre katalytischen Fähigkeiten.“ Hier könnten die von Katharina Grosse untersuchten Unterwasserplasmen Abhilfe schaffen und zur Stoffwandlung an der Grenzfläche Elektrode-Flüssigkeit zum Einsatz kommen.
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Das Geschwisterpaar möchte gemeinsam herausfinden, wie man Unterwasserplasmen bei der Elektrolyse von chemischen Stoffen einsetzen kann. Wie können die Plasmen die Elektrolyse durch Veränderungen der Flüssigkeit und der Elektrodenoberfläche unterstützen? Wie interagiert Plasma mit der elektrochemischen Zelle? Dazu baut Katharina Grosse ihre Versuchsanlage in Berlin auf, wo Bruder Philipp seit zwei Jahren forscht. Statt Wasser wählen sie Elektrolyte und eine katalytische Oberfläche wird direkt in die Plasmakammer mit eingebaut. Als Katalysator entscheiden die Grosses sich für Kupferoxid in Form von sogenannten Nanocubes. Das sind Nanometer große Kupferoxid-Würfel, die als Katalysator zur CO2-Reduktion eingesetzt werden. Für einige Mikrosekunden legen sie dann an die Elektrode eine hohe Spannung an. Ein Plasma zündet. Die zu beobachtenden Veränderungen an den Kupferwürfeln lassen vermuten, dass der durch die Plasmazündung produzierte Sauerstoff das Kupferoxid aktiviert. Die ersten Messungen legen nahe, dass das extreme Plasma tatsächlich in der Lage ist, die Kupferwürfel zu re-oxidieren und damit die katalytische Oberfläche zu regenerieren. Ist der Katalysator wieder einsatzbereit, sollte auch die elektrochemische Zelle funktionieren und damit der CO2-Verwertungsprozess. CO2 könnte auf diese Weise in industriellen Anlagen kontinuierlich in andere Produkte umgewandelt werden; der Kreislauf wäre somit geschlossen. Auch bei der Gewinnung von grünem Wasserstoff durch Wasserspaltung könnte die Methode künftig zum Einsatz kommen.
Der Traum von der unendlichen elektrochemischen Zelle
In Bochum und Berlin träumt man bereits von einer unendlich lang laufenden elektrochemischen Zelle, in der sich elektrochemische Prozesse und Plasmazündungen abwechseln. Doch bis dahin liegt noch ein komplizierter Weg vor den Grosses. Die größte Herausforderung liegt aktuell darin, den physikalischen mit dem chemischen Aufbau zu verbinden, sodass Plasmazündung und Elektrolyse gleichzeitig stattfinden können.
Die Zukunft der Plasmatechnik
Sollte das gelingen wäre es ein „Meilenstein, eine Technologie mit viel Potenzial“, so von Keudell. Die chemische Industrie hat sehr großes Interesse an solch einem Plasmaverfahren, weiß der Sprecher des Sonderforschungsbereiches. „Dort setzt man große Hoffnungen in die Elektrifizierung der chemischen Industrie.“ Die Vorteile der Plasmatechnik: Sie nimmt wenig Raum ein und die elektrische Energie kann auf Knopfdruck die Umwandlung von chemischen Stoffen unterstützen.