Rechtswissenschaften Öffentlich-private Partnerschaften als Chance nutzen
Die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 umzusetzen, kann nicht alleine Aufgabe der Regierungen sein.
Es tut sich viel im Bereich der internationalen Gesundheitspolitik, nicht zuletzt aufgrund der Auswirkungen der anhaltenden Corona-Pandemie. Auch die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen rückt das Thema seit einigen Jahren in den Fokus. An der Umsetzung und Gestaltung der Ziele im Bereich der internationalen Gesundheitspolitik beteiligen sich neben staatlichen oder öffentlichen Institutionen zunehmend auch private Partner in Form von öffentlich-privaten Partnerschaften.
Kooperation zwischen Staat und Gesellschaft
Öffentlich-private Partnerschaften, kurz ÖPP, sind hybride Organisationsstrukturen, an denen zum einen öffentliche Partner wie Regierungen oder öffentliche internationale Organisationen beteiligt sind, etwa die Weltgesundheitsorganisation, zum anderen auch private Partner wie Privatunternehmen, Stiftungen oder Nichtregierungsorganisationen. Sie wirken auf internationaler Ebene zusammen, um beispielsweise Krankheiten zu bekämpfen oder die Gesundheitssysteme von Entwicklungsländern zu stärken. Obwohl solche globalen Partnerschaften eine noch recht junge Organisationsform darstellen, sind sie in den vergangenen Jahren zunehmend wichtiger für die internationale Gesundheitspolitik ebenso wie für andere globale Politikfelder geworden. In Ziel 17 der Agenda 2030 werden sie daher ausdrücklich als mögliche Umsetzungsinstrumente genannt.
Wieso öffentlich-private Partnerschaften von so hoher Bedeutung für die globale Gesellschaft sind, ist eine Frage, mit der sich Prof. Dr. Markus Kaltenborn in seiner Forschung befasst. Er arbeitet am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Finanzverfassungs- und Gesundheitsrecht zu Fragen des internationalen Gesundheitswesens und der globalen sozialen Sicherung. Seit Längerem beschäftigt er sich mit Rechtsfragen der internationalen Gesundheitsversorgung. „Öffentlich-private Partnerschaften sind wichtig, weil der Staat häufig auf die Kooperation mit der Gesellschaft angewiesen ist, um gesellschaftliche Änderungen vornehmen zu können“, so Kaltenborn.
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Das hat verschiedene Gründe. Zum einen erfährt der Staat durch die Zusammenarbeit mehr über die Interessen seiner privaten Partner, zum anderen kann er seine eigenen Vorstellungen und Pläne transparenter platzieren. Da die privaten Partner oftmals durch sehr mächtige Institutionen wie große Stiftungen oder global agierende Unternehmen vertreten werden, erscheint es für den Staat maßgeblich, mit ihnen im Austausch zu sein. „Private Institutionen oder Stiftungen verfügen häufig aufgrund ihrer Finanzmittel über einen großen Einfluss, den sie für bestimmte Ziele nutzen möchten“, erklärt Markus Kaltenborn. „Darum sollte der Staat die Chance einer Zusammenarbeit nicht ungenutzt lassen.“
Einfluss auf politische Entscheidungen
Doch auch wenn öffentlich-private Partnerschaften einen gewissen Grad an Beliebtheit in der internationalen Politik genießen, wird im gleichen Zuge Kritik an ihnen laut. So ist es kein Einzelfall, dass manche privaten Institutionen, vor allem aber Unternehmen, versuchen, durch ihr Mitwirken innerhalb einer ÖPP ihr eigenes Image aufzubessern, indem sie zum Beispiel Greenwashing betreiben, also dem Unternehmen zu einem sozialeren, auch auf Gemeinwohlziele ausgerichteten Ruf verhelfen. „Wenn Unternehmen Geld in gewisse Fonds einzahlen und somit dazu beitragen, zum Beispiel Gesundheits- oder Genderziele zu erreichen, dann sind die damit verbundenen Effekte durchaus positiv“, meint der Rechtswissenschaftler. „Letztlich tun sie dies aber häufig vor allem aus Marketinggründen, womit der eigentliche Sinn einer ÖPP aber verfehlt wird.“
Man kann daher nicht ignorieren, dass private Akteure auch immer bestimmte Eigeninteressen verfolgen und diese Interessen umsetzen können, je stärker sie Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen. Dieser Einfluss erfolgt meist über die Finanzierung der jeweiligen Partnerschaft. Das bedeutet zwar nicht, dass Stiftungen oder Unternehmen frei über den Staat hinweg entscheiden können. Sie können jedoch in einer ÖPP eine Priorisierung bestimmter Aufgaben erreichen, da den beteiligten Staaten oftmals die finanziellen Möglichkeiten fehlen, um alle Probleme gleichzeitig in Angriff zu nehmen. Dadurch ist jedoch nicht nur die demokratische Kontrolle derartiger Partnerschaften gefährdet, es wird auch eine thematische Schwerpunktsetzung vorgenommen, die nicht immer in vollem Umfang den Gemeinwohlzielen entspricht – im Fall von Gesundheitspartnerschaften etwa dadurch, dass bestimmte Krankheiten in den Vordergrund rücken, während andere in Vergessenheit geraten.
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Dabei gibt es gerade im Bereich der globalen Gesundheitspolitik eine Vielzahl von Aufgaben, die finanziert werden müssten. So könnten öffentlich-private Partnerschaften ihre Mittel nicht nur in die Bekämpfung von konkreten Krankheiten stecken, sondern sie beispielsweise auch für „Universal Health Coverage“ verwenden, dem achten Unterziel von Ziel 3. Dieses zielt darauf ab, das allgemeine Gesundheitssystem in einkommensschwächeren Ländern zu stärken, indem zum Beispiel für eine bessere Finanzierung der Krankenhausversorgung oder der Basisgesundheitssysteme gesorgt wird. „Dieses Thema wird allerdings von vielen ÖPPs vernachlässigt, weil man dabei nicht so schnell Erfolge sieht“, so Markus Kaltenborn. „Es sind deutlich schnellere Erfolge erkennbar, wenn man Geld in die Aids- oder Malariabekämpfung investiert. Der Aufbau von Gesundheitssystemen erscheint ungleich schwieriger und lässt sich von den privaten Partnern schlechter vermarkten.“
Doch insbesondere die seit 2020 anhaltende Corona-Pandemie hat gezeigt, dass in der allgemeinen Gesundheitsversorgung im Globalen Süden ein hoher Finanzierungs- und Verbesserungsbedarf existiert. Gerade weil dieser Bereich kaum Berücksichtigung bei ÖPPs findet, schlagen Expertinnen und Experten alternative Finanzierungsmöglichkeiten vor, um Länder mit geringer Wirtschaftskraft besser unterstützen zu können. Ein zentraler Vorschlag, dessen Debatte seit 2019 deutlich an Fahrt aufnimmt, behandelt die Idee eines Globalen Fonds für soziale Sicherung.
Globaler Fonds soll Niedrigeinkommensländer unterstützen
Solch ein Globaler Fonds soll sowohl Finanzlücken in den Gesundheitssystemen als auch in anderen Bereichen der sozialen Absicherung, zum Beispiel in der Sozialhilfe oder in den Rentensystemen, in Niedrigeinkommensländern abdecken und somit die weitere Ausbreitung von Armut verhindern. Markus Kaltenborn wirkt in einer Arbeitsgruppe der Global Coalition for Social Protection Floors mit, einer überwiegend von Nichtregierungsorganisationen getragenen Initiative, die für einen solchen Globalen Fonds plädiert. Die Idee wird von einzelnen Staaten durchaus positiv gesehen, aber trotzdem steht ihre Umsetzung vor einigen Herausforderungen. „Aktuell engagieren sich vor allem zwei Organisationen auf UN-Ebene für das Themenfeld soziale Sicherung, was die Frage aufwirft, wo genau der neue Fonds institutionalisiert werden soll“, erklärt Kaltenborn. Er befürchtet, dass es zu Kompetenzkonflikten kommen könnte, da vermutlich beide Institutionen ein Interesse daran haben werden, dass der Fonds bei ihnen angesiedelt wird.
Die Finanzierung eines möglichen Globalen Fonds für soziale Sicherung stellt eine weitere Hürde dar, denn noch steht nicht fest, wie viele Mittel dafür zur Verfügung gestellt werden sollten. Nach Schätzungen der Friedrich-Ebert-Stiftung würden sich die Kosten für einen Fonds, der die Hälfte der Kosten für die soziale Sicherung in zehn Ländern mit erheblichen Finanzierungslücken übernähme, auf jährlich insgesamt 10 bis 15 Milliarden US-Dollar belaufen. Ob ein neuer Fonds überhaupt realisierbar wäre, hängt letztendlich davon ab, inwieweit die internationale Gemeinschaft bereit wäre, eine derartige Summe für die Armutsbekämpfung im Globalen Süden aufzubringen. Der Fonds bräuchte zudem ein klares Regelwerk, etwa um Beteiligungsrechte oder Transparenzanforderungen sicherzustellen.
Country Ownership als möglicher Ansatz
Des Weiteren spricht sich Markus Kaltenborn für den Ansatz des Country Ownership aus. Danach sollen vom Fonds finanzierte Staaten weiterhin ihre Sozial- und Gesundheitspolitik maßgeblich selbst bestimmen dürfen. „Dieser Ansatz ist von großer Bedeutung, da es in der Vergangenheit durchaus vorgekommen ist, dass beispielsweise die Weltbank oder andere Institutionen als Kreditgeber in die Politik der Kreditnehmerländer eingegriffen und mitregiert haben“, erläutert er. Dadurch haben sich kleinere Länder entmündigt gefühlt. Dies sollte bei Einführung eines Globalen Fonds für soziale Sicherung möglichst vermieden werden.
Für den Wissenschaftler steht jedenfalls fest: Es ist nicht allein Aufgabe der Regierungen, die Ziele der Agenda 2030 zu verwirklichen. Stattdessen sollten die Nachhaltigkeitsziele durch eine sorgfältig austarierte Zusammenarbeit von Staat, Wirtschaft und nichtstaatlichen Akteuren umgesetzt werden. Durch sein politisches Engagement in diesem Bereich versucht er, seine wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Praxis zu tragen und komplexe Fragen rund um die internationale Gesundheitspolitik ein wenig verständlicher zu machen.