Die Forschenden arbeiteten ausschließlich mit archivierten Geweben und Präparaten, darunter auch Präparate, welche seit Jahrzehnten für die Ausbildung von Studierenden benutzt wurden und werden. © RUB, Kramer

Entwicklungsneurobiologie Primaten und Nichtprimaten unterscheiden sich im Bau der Nervenzellen

Mittels hochauflösender Mikroskopie konnte ein internationales Forschungsteam das Wissen über den Aufbau von Nervenzellen verschiedener Arten entscheidend erweitern.

Forschende der Arbeitsgruppe Entwicklungsneurobiologie der RUB um Prof. Dr. Petra Wahle haben in Zusammenarbeit mit Partnern aus Mannheim, Jülich, Linz, Österreich, und La Laguna, Spanien, gezeigt, dass sich Primaten und Nichtprimaten in der Architektur ihrer kortikalen Neuronen unterscheiden. Die Unterschiede liegen darin, an welcher Stelle der Nervenzelle der als Axon bezeichnete Fortsatz entspringt, der für die Weiterleitung elektrischer Potenziale zuständig ist. Das Team berichtet in der Zeitschrift eLife vom 20. April 2022.

Wenn das Axon aus dem Dendriten entspringt

Bisher galt es als Lehrbuchwissen, dass dieses Axon, von wenigen Ausnahmen abgesehen, aus dem Zellkörper der Nervenzelle entspringt. Das Axon kann jedoch auch von einem Dendriten entspringen. Dendriten sind Fortsätze, die die synaptischen Eingänge sammeln. Das Phänomen wurde mit dem Namen „Axon carrying dendrite“, im Deutschen „Axon-tragender Dendrit“, beschrieben.

„Ein besonderer Aspekt dieses Forschungsprojektes ist, dass nur mit archivierten Geweben und Präparaten gearbeitet wurde, darunter auch Präparate, welche seit Jahrzehnten für die Ausbildung von Studierenden benutzt wurden und werden“, erklärt Petra Wahle. Zudem wurden verschiedene Säugetierarten untersucht, so Vertreter der zoologischen Ordnungen Nagetiere (Maus, Ratte), Huftiere (Schwein), Raubtiere (Katze, Frettchen) sowie Makake und Mensch aus der Ordnung Primates.

Das Video zeigt ein Neuron (in grün markiert) eines Makaken, dem ein Axon (in rot) aus dem Dendriten entspringt. In Blau sind die Zellkerne zu sehen. © Entwicklungsneurobiologie

Durch den Einsatz von fünf verschiedenen Methoden zur Markierung der Dendriten und des Axons und nach Auszählung von mehr als 34.000 Nervenzellen kamen die Forschenden zu dem Ergebnis, dass es einen speziesabhängigen Unterschied zwischen Nichtprimaten und Primaten gibt. Die erregenden Pyramidalneuronen insbesondere der äußeren Schichten II und III der Großhirnrinde von Primaten besitzen deutlich weniger Axon-tragende Dendriten als Pyramidalneuronen von Nichtprimaten. Ebenso deutliche Unterschiede lassen sich innerhalb einer Spezies (Katze, Mensch) zwischen den verschiedenen Typen der hemmenden Interneuronen feststellen. Hingegen fanden sich bei Primaten keinerlei Unterschiede zwischen primär sensorischen cortikalen Arealen und Arealen für höhere Hirnfunktionen.

Besonders wichtig war die hochauflösende Mikroskopie, wie Petra Wahle beschreibt: „Die Detektion des axonalen Ursprungs konnte so auf der Mikrometerebene genau ermittelt werden, was bei herkömmlicher Lichtmikroskopie manchmal nicht so leicht möglich ist.“

Veröffentlicht

Freitag
03. Juni 2022
09:07 Uhr

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