Die Plasmaphysikerinnen Judith Golda (links) and Claire Douat genießen ihre Zusammenarbeit. © RUB, Kramer

Interview Junge Forschende profitieren von internationalem Austausch

Zwei Plasmaphysikerinnen erklären die vielfältigen Vorteile einer deutsch-französischen Zusammenarbeit und wie ihre Studierenden an dieser Erfahrung wachsen.

In Plasmen produziertes Kohlenmonoxid zu kontrollieren und seine entzündungshemmende Wirkung für die Wundheilung zu nutzen, ist Ziel einer Kooperation zwischen Juniorprofessorin Dr. Judith Golda von der Ruhr-Universität Bochum und Prof. Dr. Claire Douat von der Université d'Orléans, Frankreich. Während sechs gegenseitigen Besuchen haben ihre Arbeitsgruppen gemeinsam experimentiert – finanziert vom Deutschen Akademischen Austauschdienst und Campus France.

Frau Golda, was würden Sie gerne erreichen?
Judith Golda: Ich würde sagen, bisher ist Plasma noch kein gut verstandenes, effizientes und leicht nutzbares Werkzeug in der Medizin. Wir hoffen, dass Ärzte in Zukunft einfach eine Plasmaquelle verwenden können, um Hauterkrankungen zu behandeln.

Für welche medizinischen Anwendungen wird Plasma bereits eingesetzt?
Golda: Einige Kliniken in Deutschland nutzen es im Rahmen von klinischen Studien zur Wundheilung. Außerdem gibt es Studien für Krebstherapien, Sterilisation ...

Claire Douat: ... zur Behandlung von Zähnen, Hauterkrankungen wie Schuppenflechte und Akne, für Kosmetika und zur Blutgerinnung, um Blutungen zu vermeiden oder zu reduzieren.

Wie genau wirkt Plasma bei der Wundheilung?
Golda: Es gibt verschiedene Effekte. Einer davon ist die Sterilisation, ein anderer die Blutgerinnung. Plasma kann auch den Blutfluss in der Wunde erhöhen und es kann entzündungshemmend wirken, indem es reaktive Spezies produziert, die natürlichen Botenstoffen ähneln.

Inwiefern ergänzen sich Ihre Teams gegenseitig?
Golda: In Frankreich ist die Plasmaquelle ein wenig anders als unsere. Sie produziert zum Beispiel mehr geladene Spezies in der Nähe des behandelten Substrats und eine andere Mischung chemischer Substanzen. Zum einen vergleichen wir die Plasmaquellen, zum anderen tauschen wir ergänzende Diagnostik aus: In Orléans verwenden sie optische Sensoren zur Messung der Gasdichte – etwa für Kohlenmonoxid, in Bochum setzen wir Massenspektrometrie ein.

Warum ist es schwierig, die Wirkung einer einzelnen Plasmakomponente nachzuweisen?
Douat: In einem Plasma laufen viele chemische Reaktionen gleichzeitig ab. Wir haben das elektrische Feld, reaktive Sauerstoffspezies und das Licht. Es ist also nicht nur schwierig, Plasmen zu erforschen, sondern auch, sie zu kontrollieren. In bestimmten Konzentrationen sind reaktive Spezies nützlich, aber in höheren Konzentrationen können sie toxisch werden. Bei Sterilisation oder Krebsbehandlung wollen wir diese Toxizität, bei der Wundheilung nicht.

Jetzt haben wir viel Wissenschaftliches zu diskutieren.


Claire Douat

Was ist charakteristisch für das kalte Atmosphärendruckplasma, das Sie für die Behandlung von biologischen Substraten verwenden?
Golda: Im Gegensatz zu anderen Plasmen bleibt es kalt genug, um die Haut nicht zu schädigen. Die Idee ist, die Energie, die wir dem Plasma zuführen, in die Elektronen zu leiten, um sie zu heizen. In diesem Zustand sind sie in der Lage, Moleküle aufzuspalten und reaktive Spezies zu erzeugen, während das Gas nahe der Raumtemperatur bleibt. Das ist der Nicht-Gleichgewichtscharakter, von dem alle sprechen.

Welche Substrate verwenden Sie für Ihre Experimente?
Douat: Im Moment nutzen wir Bakterien. Der nächste Schritt wird mit Zellen und danach mit Tieren erfolgen. Aber vorher müssen wir sicherstellen, dass die Behandlung sicher ist: zum Beispiel, dass der elektrische Strom, der durch das biologische Behandlungsobjekt fließt, nicht zu stark ist.

Was konnten Sie bis jetzt herausfinden?
Douat: Wir haben elektrische Messungen durchgeführt und die Konzentrationen einiger Spezies in den verschiedenen Plasmaquellen bestimmt. Dafür haben wir eine aus Bochum in Orléans und sie haben eine von uns in Bochum.

Am Ende haben wir Bakterien behandelt, um die Auswirkungen der beiden Plasmaquellen zu beobachten: Die Bakterien verhielten sich nicht auf die gleiche Weise, wenn sie mit verschiedenen Plasmen behandelt wurden. Das ist schön, denn jetzt haben wir viel Wissenschaftliches zu diskutieren und schreiben einen Artikel darüber.

Die Ruhr-Universität ist ein international sehr bekannter Ort für Plasmaforschung, mit führenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den Bereichen Plasma und Modellierung.


Claire Douat

Frau Douat, was ist Ihr Eindruck von der Ruhr-Universität?
Douat: Ich bin sehr gerne in Bochum. Jedes Mal, wenn ich herkomme, ist alles ganz einfach. Es gibt diese Infrastruktur mit der Unterbringung und allem, was ich brauche, in Laufnähe zur Uni – einschließlich Supermärkten und sogar einem Schwimmbad.

Wenn man jeden Tag am selben Ort ist, sieht man meiner Meinung nach die Dinge nicht so, wie man sie als Besucher sieht. Die Kolleginnen und Kollegen in Bochum sind gut organisiert und es gibt immer Raum für Leichtigkeit. Die Ruhr-Universität ist ein international sehr bekannter Ort für Plasmaforschung, mit führenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den Bereichen Plasma und Modellierung.

Es ist schön, hier zu sein und mit ihnen zu diskutieren. Außerdem haben sie hier ein großes Spektrum an Versuchsaufbauten. Ich würde nicht sagen, alles, aber sehr viel. Wenn wir etwas testen wollen, gibt es immer einen Weg, dies zu ermöglichen.

Golda: Außerdem bietet die Mensa vegane und vegetarische Optionen an. Eine der französischen Studenteninnen ist Vegetarierin ...

Douat: ... und die Aussicht ist toll!

Manchmal ist es wirklich inspirierend, in einer neuen Umgebung wie einem anderen Labor oder einer anderen Universität zu sein, um auf neue Ideen zu kommen.


Judith Golda

Was sind die Vorteile Ihrer Zusammenarbeit?
Golda: Es macht sehr viel Spaß. Ich arbeite gerne mit Claire und ihrer Gruppe zusammen. Wenn man allein an einem Thema arbeitet, bleibt man manchmal mit seinen Ideen stecken. In einer Kooperation können wir die Probleme diskutieren und gemeinsam neue Ideen entwickeln. Manchmal ist es wirklich inspirierend, in einer neuen Umgebung wie einem anderen Labor oder einer anderen Universität zu sein, um auf neue Ideen zu kommen. Außerdem verfügen Claire und ihr Team über einige Fachkenntnisse, die wir nicht haben.

Douat: Es ist immer gut, zu diskutieren und eine andere Sichtweise zu sehen. Die Studierenden arbeiten auch zusammen und lernen voneinander. Das ist eine sehr gute Erfahrung für sie.

Golda: Man sieht wirklich, wie sie sich entwickeln. Wenn die Studierenden das erste Mal nach Frankreich fahren, sind sie eher schüchtern und wirken ein wenig verloren. Beim zweiten Mal fühlen sie sich dort schon wie zu Hause. Die Beziehungen zwischen ihnen verändern sich sehr, und es ist toll zu sehen, wie sie sich am Wochenende treffen und ihre Freizeit miteinander verbringen.

Douat: Wenn wir nach Bochum kommen oder unsere Kollegen uns in Orléans besuchen, ist das ein bisschen wie Urlaub, zumindest für Judith und mich. Nicht in dem Sinne, dass wir nicht arbeiten würden. Wir arbeiten sehr viel, wenn wir reisen. Aber in dieser Zeit haben wir nur eine Aufgabe zu erledigen, sodass wir uns darauf konzentrieren können. Zu Hause sind wir jeden Tag mit so vielen verschiedenen Dingen beschäftigt. Im Moment genießen wir es, einfach im Labor zu sein und den ganzen Tag an einem Projekt zu arbeiten.

Zu den Personen

Claire Douat ist seit 2015 Maître de Conférence bei GREMI (Groupe de Recherche sur l'Energétique des Milieux Ionisés) an der Université d'Orléans, Frankreich. Ihre Forschungsthemen sind Plasmamedizin, Atmosphärendruckplasma und Plasmajets.

Judith Golda ist seit 2020 Juniorprofessorin für Plasmagrenzflächenphysik an der Ruhr-Universität Bochum. Sie erforscht Ladungseffekte von dielektrisch behinderten Oberflächenentladungen, die Wechselwirkung von Plasmen und Oberflächen unter dem Einfluss von Laserstrahlung und den Einsatz von Plasmen in der Biokatalyse und Medizin.

Förderung

Die Reisekosten werden gefördert vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und von Campus France mit Unterstützung der französischen Ministerien für Europa, für auswärtige Angelegenheiten und für Hochschulbildung und Forschung.

Veröffentlicht

Freitag
23. Juni 2023
07:21 Uhr

Von

Carina Huber
Meike Drießen (md)

Teilen