Geologie Günstige Wärme für den Winter speichern
Die Abwärme des Kühlens lässt im Sommer jede Menge Wärme entstehen – wenn sie keiner braucht. Im Untergrund könnte man sie bis zum Winter speichern und dann zum Heizen nutzen.
Die Ruhr-Universität Bochum produziert eine riesige Menge Abwärme, die derzeit einfach ungenutzt entweicht: Rund ums Jahr müssen etwa Serverräume und Labors klimatisiert werden, das Blockheizkraftwerk verfügt allein über zwei Kühltürme, und das ist noch lange nicht alles. „Da wird eine wahnsinnige Menge an Energie verschwendet“, sagt Prof. Dr. Tobias Licha, Leiter der Arbeitsgruppe Hydrogeochemie in der Fakultät für Geowissenschaften der Ruhr-Universität Bochum. Wäre es nicht schön, wenn man all diese Energie aufheben könnte bis zum Winter und sie dann zum Heizen nutzen könnte? Diese Vision treibt ihn an. Er kooperiert im Projekt WINZER, kurz für „Wärmespeicherung in den Zechen des Ruhrgebiets“ mit Koordinator Dr. Mathias Nehler von der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG.
Die Kleinzechen wie am Fraunhofer IEG bieten sich deswegen für solche Speicherkonzepte an, weil dort Kohle in nicht allzu großer Tiefe von nur 30 bis 60 Metern abgebaut wurde.
Mathias Nehler
Seit 2022 befasst sich das Projektteam damit, die ehemalige Kleinzeche unterhalb des Campus des Fraunhofer IEG als natürliche Wärmflasche zu verwenden. Das Prinzip ist einfach: Man entnimmt der Zeche Grubenwasser, heizt es über Wärmetauscher mittels Abwärme oder Sonnenenergie auf und pumpt es in die alten, ungenutzten Bergwerksschächte zurück. Hier erhitzt es das umgebende Gestein, das die Wärme lange speichern kann. Wird die Wärme im Winter zum Heizen gebraucht, holt man das warme Wasser aus der Zeche heraus und entzieht ihm die Wärme wiederum über den Wärmetauscher.
Ganz so einfach ist die Sache jedoch nicht. „Die Kleinzechen wie am Fraunhofer IEG bieten sich deswegen für solche Speicherkonzepte an, weil dort Kohle in nicht allzu großer Tiefe von nur 30 bis 60 Metern abgebaut wurde“, erklärt Mathias Nehler. Neuere, tiefere Zechen sind zwar genauer kartiert, aber die Bohrungen in große Tiefen sind aufwändiger und komplizierter, die Investitionskosten höher. Die Zeche am Standort des Fraunhofer IEG hat darüber hinaus den Vorteil, dass sie ein in sich geschlossenes Volumen hat und das erwärmte Wasser die Hohlräume der Zeche nicht verlässt. Es entspricht einem technischen Pufferspeicher mit einem relativ gut bekannten Volumen zur thermischen Nutzung. Im Gegensatz dazu sind die tieferen Großzechen durch die zentrale Grubenwasserhaltung der RAG Aktiengesellschaft (ehemals Ruhrkohle AG) beeinflusst und unterliegen dadurch einem ständigen Grundwasserstrom. Diese bilden also ein offenes System.
Es gibt viele Wechselwirkungen in diesem komplexen System.
Tobias Licha.
Die Stollen der Kleinzechen, die überwiegend nach dem Zweiten Weltkrieg gegraben wurden, wurden nach dem Ende der Abbauarbeiten einfach verlassen und sind dann eingestürzt. Sie sind voll mit losem Geröll, das aber für Wasser durchlässig ist. „Das umgebende Gestein ist mehr oder weniger wasserdicht“, beschreibt Tobias Licha. „Und das Gestein in den Stollen wird durch das Wasser mit erwärmt und hilft so bei der Speicherung der Wärme. Das kann man sich so vorstellen wie einen Berliner Kachelofen.“
Bevor die Forschenden aber loslegen und Wärme in der Zeche zu speichern versuchen, wollen sie das zu erwartende Potenzial und die möglichen Herausforderungen genau untersuchen, die das Verfahren mit sich bringen könnte. „Es gibt viele Wechselwirkungen in diesem komplexen System“, betont Tobias Licha. „Wir wollen vorher genau wissen, was passieren wird.“ Neben einem seismischen und biochemischen Monitoring der Zechenumgebung arbeitet das Team daher intensiv im Labor.
Mathias Nehler untersucht Gesteinsproben darauf, wie sie sich verhalten, wenn sie zyklisch erwärmt und abgekühlt werden. Halten die Gesteine diese mechanischen Belastungen aus oder bilden sich womöglich Risse etwa an natürlichen Strukturen im Gestein aus, zum Beispiel an Trennflächen? Diese könnten schlimmstenfalls sogar zu einem Versagen der Stabilität der Zechenwand führen und müssen daher vorher im Labor experimentell bestimmt werden.
Welche ist die optimale Temperatur?
Tobias Licha schaut sich an, was mit den Kohleüberresten passiert, die noch in den Zechen lagern. Proben werden im Labor wochenlang durchgespült, und das Wasser wird danach genauestens analysiert. Lösen sich Schadstoffe? Wie sieht es mit Bakterien aus? Sie würden den technischen Geräten zusetzen und das ganze Konzept gefährden. „Unsere Tests mit Anthrazitkohle zeigen, dass es da sehr gut aussieht“, berichtet Tobias Licha. „Esskohle und Gasflammkohle müssen wir noch untersuchen.“
Für den Fall, dass sich für diese Kohlearten anderes ergibt, würde man in der entstehenden Machbarkeitsstudie mit Gefährdungsbeurteilung darauf hinweisen und Empfehlungen geben, wie man die Nachteile umgehen kann. Beispielsweise könnte die maximal mögliche Wassertemperatur, die das gespeicherte Wasser haben dürfte, begrenzt werden.
Die Frage nach der optimalen Temperatur treibt auch Mathias Nehler um. Er beschäftigt sich damit, wie man das Speichersystem besonders energieeffizient betreiben könnte. „Ist es besser, viel nicht ganz so heißes Wasser in die Zeche zu pumpen, oder ist es günstiger, weniger, dafür aber wärmeres Wasser hineinzubringen?“, verdeutlicht er. Noch gibt es dafür kein Ergebnis. Durch die Untersuchung verschiedener Wärmetauscher-Designs an einem Versuchsstand versuchen die Forscher die Anlageneffizienz zu optimieren und für den Betrieb möglichst viele Fragen vorab zu beantworten: Wann lagern sich Salze ungünstig ab? Wo tritt Korrosion auf? Und wie verhindert man, dass Algen und Bakterien im System sich ausbreiten?
Allererste Tests, warmes Wasser in die Zeche zu bringen, haben im Sommer 2023 stattgefunden. Das Wasser wurde dabei solarthermisch erwärmt. Allerdings war die Menge recht gering, sodass sich noch nicht ableiten lässt, ob und wie gut die Speicherung der Wärme funktioniert. Im kommenden Frühjahr werden die Forschenden früher beginnen, warmes Wasser in die Zeche zu pumpen. Ihr Ziel sind zunächst 35 Megawattstunden im Jahr 2024 testweise einzuspeisen, was etwa dem Jahresbedarf eines Durchschnitts-Haushalts entspricht.
Tobias Licha und Mathias Nehler sind von der Machbarkeit im Grunde überzeugt. „Die Pumpstation liegt in direkter Nähe zu einer kreisförmigen Versorgungsleitung, die den ganzen Campus umfasst“, so Tobias Licha. „Es wäre ein Leichtes, die Abwärme der Uni zur Erwärmung von Wasser zu nutzen und damit im Winter das ganze Quartier mit zu heizen.“
Beide Forscher sind sich sicher, dass solchen maßgeschneiderten, innovativen Lösungen auf der Ebene von Quartieren bei der Energiewende eine bedeutende Rolle zukommt. „Wir schauen schon auf die Zeche Dannenbaum unter dem Gelände Mark 51°7, da sind die Gegebenheiten zwar anders, aber unsere Ergebnisse lassen sich darauf übertragen“, erklärt Mathias Nehler. Und gerade im Ruhrgebiet gibt es so viele Zechen und Industrie, die Abwärme produziert, dass das Konzept für viele Standorte aussichtsreich erscheint.