Kommentar Was das EU-Lieferkettenrecht für Deutschland bedeutet
Die EU hat eine Richtlinie zum Schutz der Menschenrechte und der Umwelt in den globalen Lieferketten beschlossen. In Deutschland gibt es schon länger ein Lieferkettengesetz. Bleibt bei uns alles gleich?
In der vergangenen Woche haben sich Unterhändler des Europaparlaments und des Rates auf den Entwurf einer Richtlinie zum Schutz der Menschenrechte und der Umwelt in den globalen Lieferketten – auf die Corporate Sustainability Due Diligence Directive – geeinigt. Formell bedarf es nun noch einer Bestätigung des Parlaments und der EU-Staaten. Sobald die neue EU-Richtlinie in Kraft tritt, werden die Mitgliedstaaten sie innerhalb einer bestimmten Frist in nationales Recht umsetzen müssen. Auch Deutschland muss dann sein Lieferkettengesetz anpassen. Denn die europäischen Vorgaben gehen zum Teil deutlich über das hinaus, was bislang nach deutschem Recht gilt. So ist zum Beispiel der Anwendungsbereich größer: Während das deutsche Lieferkettengesetz sich lediglich an Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten richtet (beziehungsweise ab 2024 mit mehr als 1.000 Beschäftigten), werden von der EU-Richtlinie alle Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und mindestens 150 Millionen Euro Umsatz erfasst; für Firmen, die auf dem EU-Markt tätig sind, aber nicht ihren Sitz in der EU haben, liegt die Umsatzgrenze bei 300 Millionen Euro. In einigen Risikobranchen wie etwa dem Landwirtschafts- und Textilsektor oder beim Handel mit Mineralien sind auch Unternehmen mit weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einbezogen.
Zusätzliche Klimaschutzverpflichtungen
Im Vergleich zum deutschen Gesetz wird die Richtlinie zudem klarere Vorgaben zu den Sorgfaltspflichten machen, die auf den der Ebene der unmittelbaren Zulieferer vorgelagerten Stufen der Lieferkette einzuhalten sind. Gerade am Beginn dieser Kette – zum Beispiel in den Bergwerken und auf den Plantagen – werden Menschenrechte häufig mit Füßen getreten und massive Umweltschäden verursacht. Außerdem enthält die Richtlinie im Unterschied zum deutschen Lieferkettengesetz auch Klimaschutzverpflichtungen.
Die Unternehmen werden einen Plan erstellen und umsetzen müssen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre strategische Ausrichtung mit den Zielen des Pariser Abkommens zum Klimawandel im Einklang stehen. Last but not least ist ein weiterer wichtiger Unterschied das strengere Haftungsregime. Nach EU-Recht wird es zukünftig Arbeiterinnen oder Arbeitern, die im Ausland zu Schaden gekommen sind, leichter möglich sein, die hiesigen Unternehmen auf Schadenersatz zu verklagen, sofern diese in ihrer Lieferkette nicht den nötigen Sorgfaltsmaßstab eingehalten haben.
Die EU-Lieferkettenrichtlinie stellt einen bedeutenden Schritt auf dem Weg zur Verbesserung des globalen Menschenrechtsschutzes dar.
Die EU-Lieferkettenrichtlinie stellt einen bedeutenden Schritt auf dem Weg zur Verbesserung des globalen Menschenrechtsschutzes dar. Staaten sind völkerrechtlich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass unternehmerische Aktivitäten nicht zur Verletzung grundlegender Menschen- und Arbeitsschutzrechte führen – egal auf welcher Ebene der Wertschöpfungskette und in welchem Land die betreffenden Personen tätig sind. Mit der Einigung, die in der vergangenen Woche erzielt wurde, sind nun die Weichen dafür gestellt worden, dass diese zentrale Anforderung des internationalen Menschenrechtsschutzes von einem wichtigen globalen Wirtschaftsakteur, der EU, in die Praxis umgesetzt wird. Aber auch aus der Sicht der Unternehmen ergeben sich Vorteile, denn zumindest innerhalb der EU werden nun gleiche Wettbewerbsbedingungen hergestellt.
Dass es gelungen ist, auch die ersten Stufen der Lieferketten in den Anwendungsbereich der Sorgfaltspflichten einzubeziehen, ist als großer Fortschritt zu bewerten. Wichtig ist die Richtline aber nicht nur für die Arbeit in den Minen und in der Landwirtschaft, sondern auch für die Arbeitsbedingungen in den Fabriken. Insbesondere in den Ländern des Globalen Südens sind mangelnder Arbeitsschutz, Hungerlöhne und Diskriminierung am Arbeitsplatz leider immer noch Massenphänomene, die im klaren Widerspruch zu menschenrechtlichen Kernanliegen stehen. Mithilfe der neuen Richtlinie können hier wesentliche Verbesserungen erreicht werden.
Finanzsektor bleibt ausgeschlossen
Im Vorfeld des EU-Einigungsprozesses ist intensiv diskutiert worden, ob nicht auch der Finanzsektor unter das Lieferkettenrecht fallen sollte, denn diese Branche hat mittelbar durchaus großen Einfluss auf den Menschenrechtsschutz und den Schutz der Umwelt. Hierzu ist es zwar nicht gekommen – der Finanzsektor bleibt auf Drängen vor allem der französischen Regierung vorerst von den neuen Vorgaben ausgeschlossen. Jedenfalls aus menschenrechtlicher Perspektive ist das keine gute Nachricht. Aber da es eine Überprüfungsklausel für eine mögliche künftige Einbeziehung dieses Sektors geben wird, besteht Hoffnung, dass langfristig auch diese Lücke geschlossen werden kann.