Newsportal - Ruhr-Universität Bochum
Hans Alves will wissen, wie wir Fremde beurteilen
Wenn wir eine neue Person zum ersten Mal sehen – was macht sie uns dann sympathisch? Und was mögen wir an ihr nicht? Auf welche Eigenschaften achten wir besonders? Wie bilden wir unser Urteil? Diese Fragen interessieren Prof. Dr. Hans Alves, seit 1. April 2021 Professor für Soziale Kognition an der Fakultät für Psychologie der RUB. In verschiedenen Labor- und Onlinestudien hat er Versuchspersonen mit neuen Menschen oder auch gezeichneten Aliens konfrontiert und beobachtet, wie die Probandinnen und Probanden urteilen. Dabei zeigte sich, dass Menschen beim Kennenlernen anderer zuerst nach Unterschieden zu sich selbst suchen und diese eher negativ bewerten.
„Dabei bin ich der Ansicht, dass dabei nicht nur motivationale Faktoren eine Rolle spielen“, unterstreicht Hans Alves: Zwar mag es nicht falsch sein, dass wir andere Gruppen, die sich von unserer eigenen unterscheiden, abwerten, um uns selbst als Gruppe besser zu fühlen. „Darüber hinaus gibt es aber noch andere, gewissermaßen unschuldige Faktoren, die das erklären“, so der Forscher.
Das Negative ist vielfältiger als das Positive
Sie liegen begründet in basalen Lernprozessen. Wenn wir unsere Umwelt wahrnehmen und in all den auf uns einströmenden Informationen eine neue Kategorie bilden müssen, wird sich diese Kategorie von vorhandenen durch Unterschiede abheben müssen. Unterschiede zu suchen, ergibt also Sinn. „Wenn wir nun betrachten, was an Informationen auf uns einströmt, fällt auf, dass das Negative vielfältiger ist als das Positive“, erklärt Alves. Das fängt bei unseren eigenen Emotionen an: Während es mannigfaltige negative Emotionen gibt, ist die einzige positive Emotion Freude. Wir haben wesentlich mehr Begriffe für negative Eigenschaften in unserem Wortschatz als für positive. Filmcharaktere haben immer negative Züge – sonst wären sie langweilig. Journalisten wissen: Only bad news are good news. Und Leo Tolstoi formulierte: „Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich.“
Bis zu einem gewissen Grad kann man nicht aus seiner Haut.
Treffen wir nun neue Gruppen oder Minoritäten, die wir selten sehen, können wir nicht anders, als zunächst die Unterschiede zu uns selbst zu suchen, und die sind meist negativ. Positive Aspekte – etwa Familiensinn oder Geselligkeit – unterscheiden diese Gruppe nicht von uns selbst und fallen uns deswegen auch nicht auf. „Diese Tatsache birgt Nachteile für Fremde, aber keiner ist wirklich schuld daran“, fasst Hans Alves zusammen. „Bis zu einem gewissen Grad kann man nicht aus seiner Haut.“ Natürlich entschuldige das keineswegs fremdenfeindliche Ansichten, könne aber zu mehr gegenseitiger Nachsicht beitragen, hofft er. Und es ist auch möglich, negative Stereotype zu überwinden, zum Beispiel durch direkten Kontakt und das Vermeiden von Vergleichen. „Man kann dadurch umlernen“, betont er, „und wenn die zunehmende Diversifizierung der Gesellschaft kurzfristig auch viele Herausforderungen birgt, so hat sie langfristig mehr positive Aspekte.“
Hans Alves studierte zwischen 2006 und 2012 Psychologie an der Universität Heidelberg und der Arizona State University. 2010 führte ihn ein Forschungsaufenthalt an die New York University. Für seine Dissertation forschte er ab 2012 am Social Cognition Center der Universität zu Köln und verbrachte Gastaufenthalte an der Uni Lissabon und der Pompeu Fabra Universität Barcelona. Nach seiner Promotion 2016 war er Postdoc an der Universität zu Köln. Im Dezember 2020 wurde er mit einem ERC-Starting Grant ausgezeichnet. Zum 1. April 2021 wurde er als Professor für Soziale Kognition an die RUB berufen.
3. Mai 2021
09.07 Uhr