Slavistik Yvonne Pörzgen untersucht die Funktion von Drogen in der Literatur
Die Forscherin beschäftigt sich mit russischer und polnischer Literatur des 19. bis 21. Jahrhunderts.
Ab April 2022 verstärkt Prof. Dr. Yvonne Pörzgen das Seminar für Slavistik/Lotman-Institut der RUB. Sie hat dort die Professur für Slavistik, insbesondere Literaturwissenschaft, inne. Im Mittelpunkt ihrer Forschung steht die russische und polnische Literatur des 19. bis 21. Jahrhunderts. Das wird auch in ihrer Habilitationsschrift aus dem Jahre 2017 deutlich, die sich mit dem freien Willen als Analysekriterium in den Werken von Fёdor Dostoevskij, Stanisław Lem und Meša Selimović beschäftigt.
Anhand seiner utopischen Romane wie ‚Solaris‘ können wir unser Verständnis von Zukunft sehr gut reflektieren.
Yvonne Pörzgen
„Zwei dieser Autoren standen im vergangenen Jahr im Mittelpunkt zahlreicher Veranstaltungen“, so Yvonne Pörzgen. „In Polen feierte man das Lem-Jahr, denn der Autor wäre 100 Jahre alt geworden. Dostoevskij wäre 200 geworden. Außerdem jährte sich 2021 sein Todestag zum 140. Mal.“ Stanisław Lem bildet zudem einen Fixpunkt innerhalb eines der Schwerpunkte von Yvonne Pörzgen in Forschung und Lehre, „Traum und Utopie/Science-Fiction“. „Anhand seiner utopischen Romane wie ‚Solaris‘ können wir unser Verständnis von Zukunft sehr gut reflektieren“, erklärt die Forscherin.
Neben „Willensfreiheit“, „Kulturwissenschaftliche Methodik“, „Raumkonzeptionen“ und „Erinnerungskultur“ bildet „Drogenliteratur“ einen weiteren Schwerpunkt, den sie auch in einer Vorlesung im Sommersemester 2022 aufgreift. „Mir geht es dabei nicht um Drogenabhängigkeit, sondern darum, wie Drogen in der Literatur mit Funktionen ausgestattet werden und was sie auslösen. Bisweilen führen sie in Parallelwelten wie im Film ‚Matrix‘.“ Als Beispiel nennt die Slavistin den Roman „Generation P“ des russischen Autors Viktor Pelevin, wobei das „P“ ursprünglich für „Pepsi“ stand, später für „Putin“ umgedeutet wurde.
Deutscher Slavistik-Tag an der RUB
Auch für das Wintersemester 2022/2023 hat Yvonne Pörzgen bereits Pläne in der Lehre. Sie wird Veranstaltungen zu den bisherigen polnischen Nobelpreisträgerinnen und -trägern in der Literatur anbieten. „Zuletzt erhielt die regierungskritische Schriftstellerin Olga Tokarczuk diese Auszeichnung, 2019“, sagt die Forscherin. Davor waren es Henryk Sienkiewicz (1905), Władysław Reymont (1924), Isaac Bashevis Singer (1978), Czesław Miłosz (1980) und Wisława Szymborska (1996).
Kurz vor dem Wintersemester 2022/2023, vom 21. bis 24. September 2022, soll die RUB Schauplatz des Deutschen Slavistik-Tages werden, den der Verband der deutschen Slavistik alle drei bis vier Jahre ausrichtet. Dass es in diesem Jahr Bochum ist, liegt nicht zuletzt daran, dass der Namensgeber des Instituts, der russische Literaturwissenschaftler Jurij Michajlovič Lotman, seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Genau wie das ganze Slavistik-Team hofft Yvonne Pörzgen, dass der Slavistik-Tag in Präsenz stattfinden kann. „Einige fragen sich vielleicht, ob es richtig ist, diese Veranstaltung in Zeiten des Krieges zu planen und durchzuführen. Wir sagen: Ja, erst recht!“
Es ist fraglich, ob das jemals wieder geht.
Yvonne Pörzgen
Ohnehin, so die Forscherin, zeige sich angesichts des Krieges, wie wichtig die Rolle der Slavistik für ein kulturelles und historisches Verständnis Osteuropas sei. Sie selbst ist auch ein wenig vom Krieg betroffen. Nachdem sie im April 2020 wegen der Corona-Pandemie außerplanmäßig Moskau und ihre dortige Stelle an der Russischen Staatlichen Geisteswissenschaftlichen Universität (RGGU) verlassen musste, konnte sie bislang nicht dorthin zurückkehren. „Es ist fraglich, ob das jemals wieder geht. Dabei befinden sich noch jede Menge Bücher von mir dort. Außerdem ein wenig Geld auf einem russischen Konto, an das ich von hier aus nicht herankomme.“
Der gesamte wissenschaftliche Austausch mit Russland gestaltet sich momentan kompliziert. Dazu zählt auch der internationale Master mit deutsch-russischem Doppelabschluss, den die RUB zusammen mit der RGGU anbietet. „Die Kontaktpflege zu polnischen Partnern wie den Universitäten Breslau und Krakau ist momentan wesentlich einfacher“, erläutert Yvonne Pörzgen. Darauf freut sie sich genauso wie auf ihr Leben im Ruhrgebiet, das bekanntlich aufgrund der Zuwanderung im späten 19. Jahrhundert sehr viel mit Polen verbindet und sogar den Begriff „Ruhrpolen“ hervorbrachte.