Psychologische Diagnostik Carolin Hahnel erforscht, wie wir digital lesen und lernen
Lesen und Lernen mit dem Internet ist ihr großes Thema. Wie wir uns nicht-linear in der digitalen Welt zurechtfinden, ergründet Carolin Hahnel als neue Professorin an der Ruhr-Universität.
Prof. Dr. Carolin Hahnel ist vom DIPF – Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Frankfurt am Main an die Ruhr-Universität Bochum gekommen. Seit dem 1. September 2023 forscht und lehrt sie hier auf dem Gebiet Psychologische Diagnostik an der Fakultät für Psychologie. Sie ist Expertin für das Lesen in digitalen Umgebungen und arbeitet in diesem Bereich insbesondere am Thema Kompetenzmessung. „Die psychologische Diagnostik wird für Prognosen benötigt, etwa ob eine Person später im Beruf erfolgreich sein wird oder ob es gut ist, ein Kind aufs Gymnasium zu schicken. Dafür brauchen wir passende Messinstrumente“, erläutert Hahnel.
Ihre Professur ist für die ersten fünf Jahre eine Stiftungsprofessur der g.a.s.t. – Gesellschaft für akademische Studienvorbereitung und Testentwicklung – mit Sitz in Bochum. Als An-Institut der Ruhr-Universität Bochum und der Fern-Universität Hagen bietet g.a.s.t. mit dem TestDaF (Test Deutsch als Fremdsprache) einen der wichtigsten Deutschtests für internationale Studienbewerberinnen und Studienbewerber an.
Das Besondere an meiner Forschung ist, dass ich mir sogenannte Prozessdaten anschaue.
Seit Beginn ihrer Forschungstätigkeit – ab 2011 direkt nach ihrem Masterabschluss – hat Hahnel zunächst mit Jugendlichen gearbeitet, sich später dann auf junge Erwachsene konzentriert. „Das Besondere an meiner Forschung ist, dass ich mir sogenannte Prozessdaten anschaue. Das sind Daten, die während der Aufgabenbearbeitung anfallen und etwas darüber aussagen, wie eine Person die Aufgabe bearbeitet hat. Wir sehen am Ende nicht nur das reine Produkt, das entstanden ist, also Aufgabe richtig gelöst oder falsch gelöst, sondern wir sehen auch, wie die Person dabei vorgegangen ist. Das ist beim Lesen im Internet super interessant: Welche Texte wurden wann angeschaut und wann hört man auf zu lesen? Wenn wir im Internet lesen, dann ist es ja nicht so wie bei einem Buch, das von Anfang bis Ende kuratiert ist.“
Dabei spielen eine ganze Reihe an Faktoren eine Rolle: das Vorwissen, die eigenen Fähigkeiten, der Kontext oder das sogenannte Sourcing – das heißt, es werden Meta-Informationen beachtet etwa über den Autor oder die Autorin und über die Intention, die hinter einem Text steckt.
Zwei laufende Projekte bringt sie mit
Carolin Hahnel hat bereits an der Pisa-Studie 2018 zum Thema Lesekompetenz mitgearbeitet, auch an der aktuellen Pisa-Studie 2022, deren Ergebnisse für Ende 2023 erwartet werden, war sie beteiligt. An die Ruhr-Universität bringt sie zwei laufende Forschungsprojekte mit:
Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Projekt „Bedingungen des Erwerbs von Handlungswissen zum Lösen technischer Probleme“ befindet sich gerade in der Phase der Datenerhebung. „Wir untersuchen, wie Personen Handlungswissen im Umgang mit Alltagstechnik erwerben und anwenden. Damit ist zum Beispiel der Staubsaugerroboter, der intelligente Kühlschrank oder auch einfach nur die Geschirrspülmaschine oder ein Heizungsthermostat mit digitalem Interface gemeint. Wenn Personen mit so einem neuartigen Gerät konfrontiert sind, schauen wir uns an, wie sie eigentlich lernen, damit umzugehen. Also stürzen sie sich direkt drauf und explorieren wild drauf los? Oder sind das eher Leute, die eine Bedienungsanleitung heranziehen?“
Das zweite, ebenfalls von der DFG geförderte Projekt heißt abgekürzt CORE, das steht für Critical Online Reasoning in Higher Education. Zielgruppe sind Studierende. Das Projekt läuft ab September 2023 vier Jahre mit Option auf eine weitere vierjährige Verlängerung. Hahnel leitet ein Teilprojekt aus der Psychologie, in dem es um die Entwicklung eines Kompetenztests geht – vereinfacht gesagt: „Wie sind die Online-Such- und Bewertungsfähigkeiten von Studierenden ausgeprägt? Können wir das messen? Und wie entwickelt sich das über die Zeit hinweg – gibt es beispielsweise Trigger oder Entwicklungsschübe? Dazu begleiten wir eine ganze Bachelor-Kohorte von Anfang bis Ende“, erläutert die Forscherin.
Es gibt hier eine sehr große Gründerszene.
Für die Zukunft sieht Carolin Hahnel an der Ruhr-Universität vielversprechende Anknüpfungspunkte in der Forschung und im Bereich Transfer, insbesondere durch Kooperationen an ihrer Fakultät für Psychologie, mit dem Institut für Erziehungswissenschaft sowie mit den Lehr- und Forschungsbereichen zu Künstlicher Intelligenz, Machine Learning und Neuronalen Netzen. Externe Partner hat die Forscherin unter anderem in Freiburg, Bamberg und in der Schweiz. Neben potenziellen Kooperationspartnern innerhalb wie außerhalb der Universität nennt sie aber noch einen ausschlaggebenden Grund für ihren Wechsel nach Bochum: „Es gibt hier eine sehr große Gründerszene, das habe ich auch in Frankfurt durchaus wahrgenommen“, sagt sie.