Geschichte Sören Urbansky möchte den Blick auf Osteuropa erweitern
Den Historiker interessieren auch die außereuropäischen Perspektiven, vor allem das russische Verhältnis zu China.
Prof. Dr. Sören Urbansky hat seit September 2023 die Professur für Osteuropäische Geschichte an der Ruhr-Universität inne. Er war zuvor Leiter des Pacific Office des Deutschen Historischen Instituts Washington an der University of California in Berkeley und bringt nicht zuletzt deshalb auch außereuropäische Perspektiven in seine Forschung und Lehre ein.
Zur Person
„Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat erneut die Relevanz der historischen Osteuropaforschung für Gegenwartsfragen offenbart“, erklärt Urbansky. Daraus erwachsen verschiedene Herausforderungen. Insbesondere gelt es, so der Historiker, die lange dominante russlandzentrierte Perspektive in der deutschen Osteuropaforschung kritisch zu beleuchten und ihr eine stärkere Betrachtung von den (post-)imperialen Rändern entgegenzustellen. Urbansky möchte sich diesen Aufgaben aus zwei Perspektiven nähern.
Zum einen sollen die Beziehungen des Russischen Imperiums und der Sowjetunion zu den Nachbarstaaten im Asien-Pazifikraum als eigenständiges Themenfeld in der deutschen Osteuropaforschung stärker als bisher verankert werden – nicht zuletzt durch eine Kooperation mit der Bochumer Fakultät für Ostasienwissenschaften. „Mit diesem geographischen Zuschnitt greift meine Professur ein dringliches Innovationsbedürfnis des Fachs auf, indem sie die Geschichte Osteuropas um außereuropäische Perspektiven erweitert – auch was die Quellen und wissenschaftlichen Netzwerke betrifft“, sagt Sören Urbansky.
Die Ruhr-Universität ist der ideale Standort, um die historische Osteuropaforschung um die hier skizzierten Perspektiven zu erweitern.
Sören Urbansky
Zweitens soll die Geschichte der Peripherien Osteuropas und der dort lebenden nichtrussischen Völker stärker berücksichtigt werden. Als Forum für den Austausch über bislang wenig erforschte Verflechtungsgeschichten zwischen den Randgebieten des Zarenreichs und der Sowjetunion (Pazifik, Zentralasien, Ostmitteleuropa) kann die Bochumer Geschichtswissenschaft einen nachhaltigen Beitrag zur derzeit lebhaft geführten Fachdebatte über die Dekolonisierung der Geschichte Ostereuropas leisten.
„Mit ihrer stark institutionalisierten philologisch-kulturwissenschaftlichen Osteuropa- wie Ostasienkompetenz ist die Ruhr-Universität der ideale Standort, um die historische Osteuropaforschung um die hier skizzierten Perspektiven zu erweitern“, fasst Urbansky zusammen. Aufgrund der zunehmenden Annäherung von China und Russland kommt seiner Forschung eine wichtige Funktion bei der historischen Einordnung dieser Entwicklungen und beim Transfer von Forschungsergebnissen in die Öffentlichkeit zu.
Solch ein Zugang betritt in mehrfacher Hinsicht historiographisches Neuland.
Sören Urbansky
Die russisch-chinesischen Beziehungen, vom siebzehnten Jahrhundert bis in die Gegenwart, hat Sören Urbansky bereits in seiner 2014 verteidigten Dissertation „Beyond the Steppe Frontier. A History of the Sino-Russian Border“, erschienen 2020 bei Princeton University Press, beleuchtet. In einem aktuellen Forschungsprojekt befasst er sich mit der Geschichte anti-chinesischer Ressentiments im späten Zarenreich und der frühen Sowjetunion – lokal bezogen auf die Pazifikstadt Wladiwostok. „Solch ein Zugang betritt in mehrfacher Hinsicht historiographisches Neuland: Denn pogromartige Übergriffe auf Chinesen im späten Zarenreich und ihre vollständige Deportation unter Stalin machen diese Gemeinschaft im sowjetrussischen Fernen Osten zu einem Sonderfall innerhalb der weltweit verstreuten Diaspora der Überseechinesen und innerhalb der Geschichte nationaler Minderheiten in der Sowjetunion“, beschreibt der Wissenschaftler.