Geschichte Katharina Mersch macht jeden Tag eine Zeitreise ins Mittelalter
In eine Welt hineinzublicken, die ganz anders ist als die Gegenwart, in der aber schon viele Entwicklungen vorgeprägt sind, die uns heute noch beeinflussen, fasziniert die neu ernannte Professorin.
„Man kann einfach mal eine Zeitreise von 800 Jahren unternehmen, am Schreibtisch. Etwas Schöneres kann ich mir nicht vorstellen, nicht mal das Puppenspiel“, sagt Katharina Mersch, die vor ihrer akademischen Karriere mit dem künstlerischen Metier geliebäugelt hat. Als neu berufene Professorin für die Geschichte des späten Mittelalters hat sie nun die Professur erhalten, die sie bereits im Wintersemester 2023/24 vertreten hat.
Als andersartig wahrgenommene Menschen wurden ausgegrenzt.
Katharina Mersch
Die Historikerin untersucht Ausschlussmechanismen gegenüber Häretikern und Häretikerinnen sowie jüdischen Menschen in einer Zeit, die durch Seuchenzüge, große soziale Dynamik und Bedrohung von außen geprägt war. Auch Arbeitskräftemangel und Arbeiterstreiks kamen bereits vor. „Die damalige Notwendigkeit, sich als Mensch und Gesellschaft auf diese Krisen einzustellen, bringen einen dazu, über die eigene Gegenwart nachzudenken“, meint Mersch.
Verschwörungstheorien gab es sowohl zu Zeiten von Corona als auch der Pest, genauso wie eine deutlich spürbare Ausgrenzung von Menschen, die man irgendwie als andersartig codiert hat und eine stärkere Reglementierung. „Natürlich sind die Umstände und die Menschen heute komplett anders, aber manche Mechanismen sind schon im Mittelalter zu beobachten“, erklärt die Forscherin und fügt hinzu: „Obwohl man heute wahrscheinlich nicht versuchen würde, eine Pandemie mit einer Prozession zu bekämpfen.“
Im Moment erforscht Katharina Mersch unter anderem Auseinandersetzungen zwischen Laien und Klerus im Kirchengericht. Sie möchte wissen, wie Menschen, die nicht zu den Eliten zählten, um die Wahrheit streiten konnten; mit Leuten, die viel besser ausgebildet waren als sie.
Ich finde es enorm schön, dass die Geisteswissenschaften pluraler werden.
Katharina Mersch
Zudem interessiert sich die Professorin für das Wahrnehmen und Agieren von Menschenmengen im Spätmittelalter, als eine Stadt mit 20.000 Einwohnern bereits als Großstadt galt. „Man weiß bei einem Aufstand nicht, ob 100 oder 2.000 Personen beteiligt waren. Die Autoren schrieben nur: Es waren viele“, erläutert Mersch.
Sie schätzt das Diversity-Konzept und die sehr plurale Studierendenschaft der Ruhr-Universität Bochum und erklärt: „Beides zeigt, dass sich Dinge verbessert haben, seit ich mich entschlossen habe, an die Uni zu gehen. In meiner Schulzeit hatten wir leider deutlich weniger muslimische Mitschülerinnen am Gymnasium, weil sie häufig anderen Schulformen zugewiesen wurden. Zudem haben bis dahin fast nur Studierende ohne Migrationshintergrund das Lehramt Geschichte gewählt.“
An der Ruhr-Universität zeige sich, dass sich das gerade radikal ändere. „Ich finde es enorm schön, dass die Geisteswissenschaften pluraler werden. Auch die große soziale Diversität gefällt mir sehr, Stichwort Arbeiterkind“, so Mersch.