Standpunkt Augmented Reality im Schulunterricht
Satelliten und die Internationale Raumstation liefern spektakuläre Bilder der Erde. Sie ermöglichen Schülerinnen und Schülern einen einzigartigen Zugang zu komplizierten Themen. Ein Kommentar.
„Man erkennt, dass die Erde wirklich nur eine Ansammlung aus kosmischem Staub ist, der sich zu einem Felsen verklumpt hat und über dem eine hauchdünne, zerbrechlich wirkende Atmosphäre liegt. Um das zu begreifen, habe ich den Blick aus dem Fenster gebraucht“ – so der erste deutsche Kommandant auf der Internationalen Raumstation ISS, Alexander Gerst.
In unseren Projekten des European Space Education Resource Office (Esero) Germany verknüpfen wir das Faszinationsfeld „Umwelt“ mit der technischen Faszination, die Realität um virtuelle Inhalte zu erweitern, auch Augmented Reality (AR) genannt. Das Ziel dabei ist es, komplizierte Themen aus der Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik anschaulich und nachhaltig zu vermitteln. Die Erdbeobachtung und der eingangs erwähnte Blick von Astronautinnen und Astronauten der ISS auf unsere Erde helfen uns dabei. An einem Beispiel will ich dies verdeutlichen.
Das Bild oben zeigt eine Falschfarbenaufnahme des Sentinel-2-Satelliten. Es handelt sich um einen Satelliten der europäischen Weltraumorganisation ESA im Copernicus-Programm der Europäischen Kommission. Er ist in der Lage, die Erdoberfläche auch im infraroten Bereich des Lichts hochaufgelöst aufzunehmen. Zu sehen sind in Rot Flächen mit fotosynthetisch aktiver Vegetation, und in Blau die versiegelten Flächen des Ruhrgebietes. Das für den Menschen unsichtbare infrarote Licht bringt den Fußabdruck des Menschen in unserer Umwelt zum Vorschein. Nun kommt der Nutzen von AR ins Spiel. Die App, die wir dazu entwickelt haben, ermöglicht es, Aufnahmen der japanischen Raumfahrtorganisation „Jaxa“ über das Bild zu legen, welche Europa bei Nacht aus dem All zeigen. Ein einfaches Blatt wird somit zur Leinwand für die Projektion eines Films aus dem All.
Sehr deutlich treten die besiedelten Gebiete hervor und bieten uns die Chance, den Schülerinnen und Schülern die Curriculum-Themen „Lichtverschmutzung“ und „Energieverbrauch“ zu vermitteln. Sie selbst erarbeiten sich nämlich durch den Einsatz von AR das Themenfeld, und der Lehrer oder die Lehrerin kann die Stunde eher moderieren denn frontal unterrichten.
Die großen Vorteile von AR im Schulunterricht liegen auf der Hand: Nahezu alle Schülerinnen und Schüler verfügen über Smartphones, die die entwickelte App kostenlos aufrufen können. Die Lehrkräfte müssen keine Software installieren, brauchen keine Zugänge für Computerräume und können leicht eine innovative und ansprechende digitale Technik in ihren Unterricht einbauen. Der Kosten- und Zeitaufwand für sie ist also gering. Die Schülerinnen und Schüler erleben mit der AR-Technik den Overview-Effekt von Astronautinnen und Astronauten im Klassenraum, ohne selbst auf der ISS sein zu müssen oder zu dürfen. Ein kleiner Nachteil besteht natürlich im Smartphone selbst. Die Schülerinnen und Schüler kommen in der Regel nicht nur auf die Idee, unsere App einzusetzen, sondern rufen auch andere Anwendungen auf dem Handy auf. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass sie sich recht schnell wieder auf den unterrichtsrelevanten Pfad zurückführen lassen.