Ein Teil des Bochumer Teams: Alexander Botz, Denis Öhl und Tsvetan Tarnev (von links)
© RUB, Marquard

Chemie Prozesse an industriellen Elektroden besser verstehen

Die Erkenntnisse könnten künftig helfen, Kohlendioxid einzusparen.

Für die industrielle Produktion von Chlor kommen seit einiger Zeit Elektroden zum Einsatz, die weniger Strom verbrauchen als herkömmliche Verfahren. Die Methode erfordert Sauerstoff, der in heiße, hoch konzentrierte Natronlauge eingeleitet wird – worin er schlecht löslich ist. Es ist bisher unklar, wie die industriellen Stromdichten unter diesen Bedingungen erreichbar sind. Forscher vom Zentrum für Elektrochemie der Ruhr-Universität Bochum haben gemeinsam mit Ingenieuren der Technischen Universität Clausthal neue Erkenntnisse über die Abläufe an den Elektroden, auch als Sauerstoffverzehrkathoden bezeichnet, gewonnen. Das Team um Alexander Botz, Denis Öhl und Prof. Dr. Wolfgang Schuhmann berichtet über die Ergebnisse in der Zeitschrift Angewandte Chemie, online veröffentlicht am 3. August 2018.

Reaktionsbedingungen ändern sich ständig

Chlor ist ein wichtiger Ausgangsstoff für die chemische Industrie. Es wird durch Elektrolyse aus Kochsalz und Wasser hergestellt, wobei im herkömmlichen Verfahren als Nebenprodukte Natronlauge und Wasserstoff entstehen. Die Sauerstoffverzehrkathoden benötigen als Ausgangsstoff Sauerstoff, dafür fällt das Nebenprodukt Wasserstoff weg – aber es werden etwa 30 Prozent Strom eingespart. Die Reaktion findet bei 80 Grad Celsius und in hoch konzentrierter Natronlauge statt. Bei diesen Bedingungen ist Sauerstoff extrem schlecht löslich. „Die Elektroden werden seit Jahren industriell eingesetzt, aber man versteht nicht, warum sie überhaupt funktionieren können“, erklärt Wolfgang Schuhmann, Leiter des Lehrstuhls für Analytische Chemie am Bochumer Zentrum für Elektrochemie.

Mit ihren Experimenten zeigten die Forscher, dass sich die Reaktionsbedingungen während der Chlor-Produktion ständig ändern. In der Umgebung der Sauerstoffverzehrkathode, die aus Silber besteht, treffen drei Phasen aufeinander: Feste Silberpartikel werden von hoch konzentrierter flüssiger Natronlauge umspült, während von der Rückseite gasförmiger Sauerstoff in das System gepresst wird. Bislang haben Forscher hauptsächlich die Konzentration des reagierenden Sauerstoffs in der Umgebung der festen Phase untersucht und Modelle entwickelt, die diesen Parameter für die hohe Stromdichte verantwortlich machen.

Nicht nur der Sauerstoff entscheidet über die Stromdichte

Für die aktuelle Studie entwickelten die Bochumer Wissenschaftler eine Methode, mit der sie auch die Vorgänge in der flüssigen Phase analysieren konnten. Sie positionierten eine hauchdünne Elektrode – gerade einmal ein Hundertstel so dick wie ein menschliches Haar – direkt an der Oberfläche der arbeitenden Sauerstoffverzehrkathode. Mit dieser verfolgten sie die Veränderungen des Wassers und der Hydroxid-Ionen (OH-), welche in der Reaktion entstehen. Das Ergebnis: Die Konzentration von Wasser und Hydroxid-Ionen an der Elektrodenoberfläche schwankt im Lauf der Reaktion extrem stark und nicht überall gleichmäßig.

„Wir haben schon vor Jahren vermutet, dass es gravierende lokale Konzentrationsschwankungen im Inneren der Elektrode geben muss, die zu den hohen Stromdichten beitragen könnten“, schildert Schuhmann.

„Diese drastischen Veränderungen sind bisher nicht in den Modellen berücksichtigt, die die Reaktion abbilden sollen“, sagt Alexander Botz. „Für künftige Optimierungen solcher Elektroden sind die Ergebnisse von enormer Bedeutung.“

CO2 binden

Im Rahmen einer Forschungsgruppe, die die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert, will das Bochumer Team gemeinsam mit Kooperationspartnern künftig noch mehr Einblicke in die Details des Reaktionsmechanismus gewinnen. „Diese Untersuchungen sind essenziell für die Entwicklung von Gasdiffusionselektroden, die künftig eine große Bedeutung beim Binden von CO2 aus der Luft haben werden und so einen Beitrag zu einer Verringerung der Emission von Treibhausgasen haben“, erklärt Schuhmann.

Förderung

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft förderte die Arbeiten im Rahmen der Forschungsgruppe „Multi-scale analysis of complex three-phase systems: oxygen reduction on gas-diffusion electrodes in aqueous electrolyte“ (FOR 2397-1; SCHU 929/15-1) sowie im Rahmen des Exzellenzclusters Resolv (EXC 1069).

Originalveröffentlichung

Alexander Botz, Jan Clausmeyer, Denis Öhl, Tsvetan Tarnev, David Franzen, Thomas Turek, Wolfgang Schuhmann: Local activities of hydroxide and water determine the operation of Ag-based oxygen depolarized cathodes, in: Angewandte Chemie International Edition, 2018, DOI: 10.1002/anie.201807798

Pressekontakt

Prof. Dr. Wolfgang Schuhmann
Analytische Chemie
Zentrum für Elektrochemie
Fakultät für Chemie und Biochemie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: 0234 32 26200
E-Mail: wolfgang.schuhmann@rub.de

Download hochauflösender Bilder
Der Download der gewählten Bilder erfolgt als ZIP-Datei. Bildzeilen und Bildnachweise finden Sie nach dem Entpacken in der enthaltenen HTML-Datei.
Nutzungsbedingungen
Die Verwendung der Bilder ist unter Angabe des entsprechenden Copyrights für die Presse honorarfrei. Die Bilder dürfen ausschließlich für eine Berichterstattung mit Bezug zur Ruhr-Universität Bochum verwendet werden, die sich ausschließlich auf die Inhalte des Artikels bezieht, der den Link zum Bilderdownload enthält. Mit dem Download erhalten Sie ein einfaches Nutzungsrecht zur einmaligen Berichterstattung. Eine weitergehende Bearbeitung, die über das Anpassen an das jeweilige Layout hinausgeht, oder eine Speicherung der Bilder für weitere Zwecke, erfordert eine Erweiterung des Nutzungsrechts. Sollten Sie die Fotos daher auf andere Weise verwenden wollen, kontaktieren Sie bitte redaktion@ruhr-uni-bochum.de

Veröffentlicht

Mittwoch
22. August 2018
09:16 Uhr

Von

Julia Weiler

Teilen