Lennart Ahrens (links) und Leonard Kosziol haben zwei Monate an ihrem Radioteleskop gebaut. © Mareen Meyer

Physik Signale aus der Milchstraße empfangen

Die Studenten Lennart Ahrens und Leonard Kosziol haben ein funktionsfähiges Radioteleskop selbst gebaut – aus Pappe, Gips, Stahl, Carbon und Unmengen von Aluminiumfolie.

Um ihr Ergebnis aus einem Praxisprojekt zu transportieren, benötigen Lennart Ahrens und Leonard Kosziol einen Kleinbus: Sie haben gemeinsam im Praktikum ihres Bachelorstudienganges Physik kurzerhand ein großes Vorhaben umgesetzt und ein Radioteleskop gebaut.

Das Teleskop besteht aus Stahl, Carbon, Gips, Pappe, einer Kupferantenne und Unmengen von Aluminiumfolie.

„Wir hatten schon vorher gemeinsam den Entschluss gefasst, selbst ein Teleskop zu bauen. Das Praktikum im Studium bot sich an, um damit anzufangen“, sagt Ahrens. Vor allem Leonard Kosziol hatte sich bereits mit Astronomie beschäftigt. „Ich wollte schon länger Hobby-Astronom werden. Jetzt bin ich einer mit einem selbstgebauten Radioteleskop“, sagt er. Lennart Ahrens hat sich hauptsächlich für das Bauen begeistern können. „Ich habe Spaß am Basteln. Deshalb studiere ich Physik, und das ist auch der Grund, warum ich die Projektidee spannend fand.“

Über Radioastronomie

Mit Radioteleskopen können Dinge nachgewiesen werden, die mit kürzeren Wellenlängen wie etwa beim sichtbaren Licht nicht zu erkennen sind, zum Beispiel bestimmte Strahlung von Molekülen und Atomen, die sich zwischen Sternen und Galaxien aufhalten. Zudem können damit supermassereiche schwarze Löcher, Radiogalaxien oder auch Planetensysteme untersucht werden.

Im April 2017 konnten per Radioteleskopie Daten für das erste Bild eines schwarzen Lochs gesammelt werden. Dafür hatte der Forschungsverbund Event Horizon Telescope acht über den Globus verteilte Teleskope miteinander verbunden. Sie überlagerten die empfangenen Wellenprofile digital, um unter Einbezug der Standorte der Teleskope die erreichbare Auflösung zu erhöhen. Diese Methode heißt Interferometrie. Die Forschungskollaboration wertete die Daten zwei Jahre lang aus und präsentierte im Frühjahr 2019 ein erstes Bild des Schwarzen Loches im Zentrum der Galaxie M87.

Zwei Monate lang bauten die Studenten daran. „Wir haben uns an dem Radioteleskop Effelsberg orientiert, das das Max-Planck-Institut für Radioastronomie in der Eifel betreibt, und seine Montierung in einer kleineren Version nachgebaut“, sagt Leonard Kosziol. Dafür verwendeten sie die Materialien, die sie auftreiben und bezahlen konnten. „Die Teleskopschüssel steht auf einem Drehkranz, der mal zu einer landwirtschaftlichen Maschine gehörte“, sagt Ahrens.

Die größte Schwierigkeit für das Projektteam war es allerdings, die Schüssel des Teleskops zu fertigen. „Wir haben uns für Carbon als Material entschieden, weil wir damit viel präziser die Schüssel formen konnten. Dafür mussten wir eine große Form aus Schaumstoff und Gips herstellen, auf die wir das Carbongewebe aufgebracht haben“, sagt Leonard Kosziol und zeigt auf die schwarze Rückseite der Teleskopschüssel.

Die Schüssel ist das Herzstück des Teleskopes. Damit können die Studierenden Wellen empfangen, die über 3.000 Lichtjahre und noch weiter entfernt entstanden sind. Die Schüssel ist 40 Kilogramm schwer und hat einen Durchmesser von zweieinhalb Metern. Für den Transport und die Lagerung kann sie in zwei Hälften aufgeteilt werden.

Je präziser die Schüssel geformt und ausgearbeitet ist, desto besser ist der Empfang. Im Bearbeitungsprozess erhielt die Schüssel sogar einen Namen: Alfred. „Der Name ist rein zufällig entstanden“, sagt Leonard Kosziol. Für Lennart Ahrens hat er aber sogar eine Bedeutung über das Projekt hinaus: „Mein Großvater heißt Alfred. Er hat mir schon als Kind viel über Technik beigebracht. Deshalb ist es schön, dass er mit dem Namen auch in dem großen Projekt eine Rolle spielt.“

Für das Praxisprojekt unter Leitung von RUB-Physiker Dr. Dirk Meyer untersuchten Ahrens und Kosziol mit ihrem Radioteleskop, wie sich Wolken aus atomarem Wasserstoff in der Milchstraße von der Erde wegbewegen. „Die Wasserstoffatome senden bei einer Wellenlänge von etwa 21 Zentimetern ein charakteristisches Signal aus, das wir aus mehreren Tausend Lichtjahren Entfernung mit der Kupferantenne am Teleskop empfangen können“, sagt Leonard Kosziol. Die Signalwellen werden von einem Kabel für Hochfrequenzen zu Verstärkern geleitet und landen dann in einem kleinen Radiogerät. Das Gerät ist am Laptop der Studierenden angeschlossen.

Wassertoff als Marker

Im Wasserstoffatom kreist ein einzelnes Elektron um ein Proton. Beide haben Eigendrehimpulse, sogenannte Spins, die mit Magnetfeldern wechselwirken können, wie sie auch im Wasserstoffatom selbst bestehen. Dadurch kommt es zu einer kleinen Energiedifferenz, weil sich die Spins parallel oder antiparallel zueinander anordnen können. Diese Energie kann frei werden, wenn der Elektronenspin sozusagen umklappt. Dabei entsteht ein Signal, das mit Radioteleskopen empfangen werden kann. Zwar kommt dieser sogenannte Spinflip pro Atom etwa einmal alle zehn Millionen Jahre vor, da es aber so viele Wasserstoffatome im Kosmos gibt, eignet er sich als Marker, um Bewegungen im All festzustellen und zu untersuchen.

Eine Software macht die empfangenen Daten als Spektrum auf dem Bildschirm sichtbar. Dadurch können die Geschwindigkeiten einzelner Wasserstoffwolken in einer bestimmten Entfernung zum Galaktischen Zentrum ermittelt werden. „Wir haben in zwei Nächten neun valide Messpunkte ausfindig gemacht und diese mit unseren Messungen vom Radioteleskop des Astronomischen Instituts auf dem NA-Dach verglichen. Die Werte zeigen, dass unser Radioteleskop ansatzweise ähnlich gut funktioniert wie das auf dem RUB-Campus“, sagt Kosziol.

Bisher bewegen die Studierenden das Teleskop noch manuell, um es für Messungen auszurichten. Aber es soll auch nach dem Praktikum noch weiterentwickelt werden. „Wir möchten noch zwei Motoren und eine Steuerung einbauen. Später wollen wir das Teleskop nur noch vom Schreibtisch aus bedienen“, sagt Lennart Ahrens. Ob die beiden Physikstudenten später auch beruflich in dem Bereich der Radioastronomie arbeiten möchten, wissen sie noch nicht. Bis sie das entscheiden müssen, möchten sie allerdings noch viele Astronomie-Seminare im Studium besuchen.

Veröffentlicht

Montag
12. August 2019
09:12 Uhr

Von

Katharina Gregor

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