Reportage Für eine Stunde ein Start-up-Team sein
In einem ganz besonderen Simulationslabor können Studierende selbst testen, was es heißt, ein Unternehmen zu gründen.
Im Universitätsforum der RUB, auf Ebene 01, gibt es eine ganz bestimmte Tür. Sie ist grau und wirkt unscheinbar. Was sich dahinter verbirgt, wissen die Masterstudierenden Leorena Nuradini, Dominique Lieber, Christian Schweer, Jens Becker und Catharina Schäfer noch nicht. Sie sitzen in einem Seminarraum nebenan, die graue Tür im Blick. Von Annabelle Beyer, die am Institut für Arbeitswissenschaft arbeitet, bekommen sie die letzten Instruktionen für eine Aufgabe, die sie gleich in dem Raum hinter der grauen Tür lösen müssen.
„Stellt euch vor, ihr seid ein Start-up-Team und entwickelt noch während des Studiums eine künstliche Intelligenz. Findet den richtigen Namen dafür“, beschreibt Beyer das Setting und Hauptziel der Aufgabe. Die Studierenden tauschen Blicke aus und wirken etwas verunsichert. Informatik studiert niemand von ihnen. Aber das wird auch nicht nötig sein für das, was gleich kommt.
Rätsel lösen unter Zeitdruck
Die graue Tür wird geöffnet. Skizzen an den Wänden, Spiegel, LED-Leisten, ein Computer, Zeitanzeigen und viele Unterlagen sind darin zu sehen. Das studentische Team steht in einem Escape Room. Einem Raum, aus dem sie erst wieder rauskönnen, wenn sie die Hauptaufgabe als fiktives Start-up-Team gelöst haben. Annabelle Beyer verlässt den Rätselraum. Die Zeit läuft ab jetzt.
Think Space – so heißt der Rätselraum. Seit Juni 2019 ist er im Universitätsforum zu finden und gehört zum Institut für Arbeitswissenschaft. Prof. Dr. Uta Wilkens entwickelte ihn zusammen mit einem Projektteam. In ihm sollen Studierende in einer Simulation erfahren, auf welche Hürden und Probleme Gründerinnen und Gründer stoßen können und wie sie sich dabei im Team organisieren, um das Gründungsziel nicht aus dem Blick zu verlieren.
Der Think Space ist in das Masterseminar von Annabelle Beyer eingebunden. Die Studierenden lernen im Wintersemester 2019/2020, wie Bewältigungsstrategien im unternehmerischen Kontext aussehen können. Nach theoretischen Sitzungen und Coachings ist heute mit dem Rätselraum der Praxisteil dran.
Zum Think Space
Suchende Blicke, blättern in Ordnern: Wie kommen die Studierenden nun an den Namen der künstlichen Intelligenz. Schnell stellt sich heraus, dass sie auf dem Weg zur Lösung bestimmte Rätsel knacken müssen. Eins nach dem anderen. Sie wissen allerdings nicht, in welcher Reihenfolge. Auch Unvorhergesehenes ist möglich. Sie müssen sich gut organisieren und abstimmen. Eben wie im Alltag eines Start-up-Teams.
Annabelle Beyer und Uta Wilkens beobachten im Nebenraum, was sich im Think Space tut. Vier Kameras übertragen Livebilder und -ton. Beyer und Wilkens kennen natürlich die Lösungen aller Rätsel. „Es ist interessant zu sehen, wie sich die Gruppe in so einer Stresssituation verhält und organisiert. Manchmal entdecke ich auch schon Parallelen zu dem, was sich in den Seminarsitzungen zuvor gezeigt hat“, sagt Annabelle Beyer. Wer übernimmt die Leitung des Teams? Wer stellt Fragen? Wer erledigt Aufgaben für sich alleine? Sollte Beyer sehen, dass die Gruppe beim Rätseln einer falschen Idee folgt und sich verrennt, schickt sie Tipps über den Computer in den Nebenraum.
Der Think Space bildet viele Facetten ab, die auch in einem Gründerteam stattfinden.
Uta Wilkens
„Dieses Lehrformat verlangt ein gewisses Abstraktionsniveau und bildet viele Facetten ab, die auch in einem Gründerteam stattfinden. Die Studierenden erleben ganz praxisnah die Herausforderungen zum Beispiel der problemorientierten Kommunikation und der dynamischen Führung“, sagt Uta Wilkens.
Mit viel Kommunikation und Ausprobieren und ein paar Tipps schaffen es die Masterstudierenden nach 52 Minuten aus dem Think Space hinaus. Sichtlich erleichtert. Doch vorbei ist die Praxisübung noch nicht. Uta Wilkens und Annabelle Beyer reflektieren mit dem Team gemeinsam das Erlebte und schauen sich teilweise auch Videosequenzen an. Wo gab es Kommunikationsprobleme?
Es ist etwas Besonderes, dass wir an der RUB so ein Angebot haben.
Catharina Schäfer
„Ich fand, wir waren eine gute Gruppe. Das, was wir hier gelernt haben, lässt sich auf zukünftige Gruppenarbeiten und Projekte übertragen“, sagt Studentin Leorena Nuradini. Nach der Feedbackrunde ist klar, dass alle etwas mitnehmen: Mehr ausprobieren, mehr kommunizieren, sich auch einmal durchsetzen oder mehr Mut zeigen. „Es ist etwas Besonderes, dass wir an der RUB so ein Angebot haben“, sagt Studentin Catharina Schäfer abschließend. Hinter ihr schließt sich die graue Tür. Bis die nächsten Studierenden im Escape Room lernen dürfen.