UNIC-Studiengang „Ich habe einen neuen Weitblick gewonnen”
Acht europäische Universitäten bieten einen gemeinsamen Master an. In RePIC erarbeiten Studierende Lösungen für urbane Herausforderungen in Europa.
Schon während des Studiums mit europäischen Städten, Bürgern und Wirtschaftspartnern zusammenarbeiten? Das verspricht der Masterstudiengang „Redesigning the Post-Industrial City”, kurz RePIC. Auf den Weg gebracht hat ihn die europäische Hochschulallianz „The European University of Post-Industrial Cities (UNIC)“, von der auch die Ruhr-Universität Bochum ein Teil ist. Mit der Theorie im Gepäck leben und lernen RePIC-Studierende in bis zu drei verschiedenen europäischen Städten. Ob Malmö oder Cork, hier bringen sie ihr Wissen aktiv in die Stadtentwicklung ein, um am Ende einen einzigartigen Masterabschluss zu erhalten.
Maximilian Dahlems ist einer der ersten RePIC-Studierenden. Seinen Bachelor hat er an der Ruhr-Universität Bochum in Geographie gemacht. Erste Auslandsaufenthalte in Tschechien und Alaska konnten ihn für die Vielfalt internationaler Sichtweisen begeistern. Schnell stand für ihn fest, einen Masterstudiengang zu wählen, der einen internationalen Lernaustausch ermöglicht.
Lieber Herr Dahlems, kurz und knapp: Was genau ist RePIC?
RePIC ist ein Studiengang, der nicht nur von einer Universität, sondern von einer Allianz aus insgesamt acht europäischen Partneruniversitäten umgesetzt wird. Ziel ist es, einen europäischen und interdisziplinären Rahmen zu schaffen, in dem Studierende mehr über urbane Transformation und der „Revitalisierung“ von Städten lernen, und sich mit deren Nachhaltigkeit und Resilienz beschäftigen.
Schon während des Studiums bekommt man Kontakt zu europäischen Praxispartnern und ein Gespür dafür, welche Probleme in der Praxis von Bedeutung sind.
Für wen würden Sie sagen, ist RePIC interessant?
Für alle, die später gerne einmal in einem internationalen Rahmen oder projektbasiert arbeiten möchten und sich für Stadtentwicklung interessieren. Man lernt hier sehr gut, wie man projektorientiert Lösungen entwickelt, beispielsweise in unterschiedlichen CityLabs. Schon während des Studiums bekommt man Kontakt zu europäischen Praxispartnern und ein Gespür dafür, welche Probleme in der Praxis von Bedeutung sind. In Cork haben wir im Januar während eines CityLab sogenannte Walking Interviews geführt, und konnten mit unseren Interviewpartnern ihre verschiedenen Community-Projekte kennenlernen. Dadurch haben wir ihre Sichtweisen hautnah miterlebt, uns in ihre Perspektiven hineinversetzt und ein Gefühl für ihre Initiativen bekommen.
RePIC ist Erasmus Mundus gefördert!
Warum hieß es für Sie persönlich: RePIC und kein anderer Studiengang?
Der Hauptgrund ist für mich der internationale Hintergrund, der auf einen einwirkt, der eine ganz neue Komplexität in das Studium bringt und ein tiefgreifendes Verständnis fördert. In RePIC lerne ich ganz neue Problemlösungsstrategien kennen. Statt starrer Theorie gibt es schon während des Studiums einen starken Praxisbezug. Jede Stadt in Europa, ob Cork oder Malmö, hat ihre ganz eigenen Probleme, unterschiedliche Lösungsstrategien und befindet sich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Im Ruhrgebiet beschäftigt man sich beispielsweise viel mit den Herausforderungen des ehemaligen Bergbaus und der dadurch entstandenen urbanen Struktur.
Dennoch sieht man, dass in der Herangehensweise oftmals die gleichen Fehler gemacht werden, zum Beispiel, dass bestimmte Personengruppen nicht bedacht und einbezogen werden, und dadurch Folgeprobleme entstehen. Das internationale Voneinander-Lernen ist einer der wichtigsten Punkte, den ich bei RePIC unterstreichen möchte.
In Cork haben wir überlegt, wie die dortige Stadtstruktur, ein großes Hafengebiet, neuentwickelt werden kann.
Wo waren Sie schon überall mit RePIC?
Unser erstes Semester hat in Deutschland begonnen, wo uns zunächst die Grundlagen des Studiums vermittelt wurden. Denn wir sind alle mit ganz unterschiedlichen Perspektiven in den Master gestartet. Ich habe beispielsweise Kommilitonen aus der Sozialwissenschaft und der Architektur. Anschließend ging es für uns im Januar nach Cork (Irland), wo das erste CityLab stattfand. Eine Woche lang konnten wir uns mit Vertreterinnen und Vertretern der Stadt sowie mit Community-Initiativen austauschen. Gemeinsam haben wir überlegt, wie die dortige Stadtstruktur, ein großes Hafengebiet, neuentwickelt werden kann. Insgesamt sollen dort 20.000 neue Einwohner Platz finden. Im Fokus stand die Frage, wie wir ein Zugehörigkeitsgefühl für die neuen Bewohnern schaffen können. Am Ende der Woche durften wir unsere eigenen Konzepte der Stadt vorstellen.
Und wie sehen Ihre weiteren Reisepläne aus?
Im zweiten Semester habe ich mich noch einmal für Deutschland entschieden. Hier beschäftigen wir uns mit der Frage, wie urbane Räume nachhaltiger, smarter und resilienter gestalten werden können. Dieses Thema finde ich sehr wichtig und mit einem starken geographischen Institut kann die Ruhr-Universität Bochum in diesem Feld umfassendes Wissen vermitteln. Ich stecke allerdings auch schon in den Vorbereitungen für das nächste Semester. Da geht es dann für drei Monate nach Liège, Belgien. Im September reise ich außerdem für unser zweites CityLab nach Malmö, Schweden.
Ich habe den Vorteil, dass ich die allgemeingültige Theorie regelmäßig in unterschiedlichen Praxisteilen in den verschiedenen Ländern Europas anwenden kann.
Was ist das Besondere an einem europäischen Studiengang?
Mit RePIC hat UNIC einen europäischen Master geschaffen, der sich vornehmlich den europäischen Herausforderungen und Forschungszielen widmet. Dadurch bekomme ich überhaupt erst die Möglichkeit, kennenzulernen, wie beispielsweise die Stadt Cork und die Forschenden dort an städtische Probleme herangehen. Natürlich hätte ich mich auch auf einen Studiengang an einer internationalen Universität, beispielsweise in London, bewerben können, dann wäre aber der Blick vornehmlich auf Großbritannien ausgerichtet gewesen. Jetzt habe ich den wunderschönen Vorteil, dass ich die allgemeingültige Theorie regelmäßig in unterschiedlichen Praxisteilen in den verschiedenen Ländern Europas anwenden kann. Das ist nicht selbstverständlich und kenne ich aus keinem anderen Studiengang.
Was ist Ihnen bisher besonders im Gedächtnis geblieben?
In Cork haben wir uns die Entstehung von Community Gardens genauer angeschaut. Hier habe ich die bisher schönste Erfahrung gemacht. In einem Stadtteil hat eine Privatperson ein Gartenprojekt gestartet, das es mittlerweile an mehreren Standorten in der ganzen Stadt gibt. Hier treffen Menschen auf ihre Nachbarn und es entsteht eine Art Zugehörigkeitsgefühl, was ich spannend fand.
Wenn man durch die Stadt fährt, sieht man vielleicht nur ein kleines Feld, aber welche Relevanz das für die einzelnen Personen hat, das erfährt man erst vor Ort im Gespräch.
Eines vormittags haben wir einen dieser Gärten besucht, indem gerade mehrere ältere Menschen gegärtnert haben. Ich habe mich mit ihnen unterhalten und erfahren, dass sie es bereichernd finden, dort auch mit Kindern und Geflüchteten zusammenzuarbeiten. Ihnen gibt die Arbeit dadurch eine aktive und regelmäßige Aufgabe im Rentenleben und ermöglicht den Austausch mit den jüngeren Personengruppen. Für die Geflüchteten ist es wiederum dadurch ein idealer Ort, um die neue Kultur besser kennenzulernen. Vor allem junge Menschen lernen dort auch von den älteren. Es entsteht ein einzigartiger Ort des Austausches, des Lernens und der Beschäftigung. Wenn man durch die Stadt fährt, sieht man vielleicht nur ein kleines Feld, aber welche Auswirkungen das wirklich auf den Stadtteil hat und welche Relevanz für die einzelnen Personen, das erfährt man erst vor Ort im Gespräch.
Sahen Sie sich auch mit einer Herausforderung konfrontiert?
Vor allem in den ersten zwei Wochen war es eine Herausforderung für mich, wieder regelmäßiger fachspezifisches Englisch zu sprechen. Das habe ich das letzte Mal über einen längeren Zeitraum im Abi gemacht. Da steht man dann erst einmal da und alle brabbeln im jeweiligen Akzent los. Für einen internationalen Job bin ich jetzt aber optimal vorbereitet. Ich kann mittlerweile sogar den irischen Akzent verstehen.
Haben Sie auch etwas in den vergangenen Monaten lieben gelernt?
Ich habe auf jeden Fall das Fach Geographie nochmal neu kennen und neu lieben gelernt. Vorher hatte ich eine sehr nationale Perspektive. Jetzt habe ich einen neuen Weitblick gewonnen. Im Modul „Environmental Urban Planning“ beschäftigen wir uns beispielsweise aktuell mit einem Stadtteil in Stockholm.
Diversität. Ich glaube, davon lebt Europa und das ist für Europa auch weiterhin wichtig.
Was mir wiederum Mut für das spätere Berufsleben gegeben hat, ist wirklich mit den betroffenen Personen sprechen zu können und zum Beispiel Bürgerinnen und Bürgern mal zu fragen: Was fehlt dir in deiner räumlichen Umgebung? Was bekommst du in deiner Stadt mit? Was fehlt dir und was bräuchtest du langfristig? Solche Fragen konnte ich mit einer planerischen Perspektive bisher noch nicht stellen. Ich schätze vor allem, dass ich mit unterschiedlichen internationalen Kulturen zusammenzuarbeiten und mein internationales Netzwerk erweitern kann.
Europa bedeutet für mich ...
Diversität. Ich glaube, davon lebt Europa und das ist für Europa auch weiterhin wichtig, vor allem in Anbetracht des zunehmenden Drucks auf die demokratischen Werte. Gleichzeitig steht Europa auch für Einigkeit. Das spiegelt der Studiengang mit seinen acht Hochschulen ebenfalls wider: die Vielfalt der Länder, die Europa umfasst.
UNIC für Studierende