Wirtschaftswissenschaft „An Ideen arbeiten, die einen begeistern“
Mithilfe von KI lässt sich auswerten, was die Stimme von Managern über die Gewinnerwartung eines Unternehmens aussagt. Auf diesem Ergebnis beruht das Start-up vocAI, das Charlotte Knickrehm mit Kollegen gründen möchte.
„Wie wir etwas sagen, ist mindestens so wichtig, wie was wir sagen“, so Charlotte Knickrehm. Die Doktorandin der Ingenieurwissenschaften hat mit Kollegen erforscht, wie man Gewinne von Firmen auf Basis der Stimmen von Manager*innen in sogenannten Earning Calls (zu Deutsch: Bilanzpressekonferenzen) vorhersagen kann. Dafür nutzt die Forscherin die Methode des Maschinellen Lernens.
Frau Knickrehm, wie sind Sie auf Ihre Gründungsidee gekommen?
Es ist uns ehrlich gesagt so ein bisschen in die Finger gefallen. Ich promoviere aktuell am Lehrstuhl für Industrial Sales and Service Engineering und habe im Rahmen meiner Promotion zusammen mit Jonas Ewertz und Doron Reichmann ein Paper angefangen, in dem wir Verfahren des Maschinellen Lernens nutzen, um aus Äußerungen von Manager*innen herauszulesen, ob deren Unternehmen im folgenden Jahr Gewinn oder Verlust machen werden.
Wie genau funktioniert das?
Manager*innen wissen ja meist mehr, als sie sagen, aber Niemand hat die eigene Stimme komplett unter Kontrolle. In dem Paper zeigen wir, dass man nur ganz genau hinhören muss. Die Stimme gibt ungewollt Informationen preis, aus denen sich die Erwartung von Gewinn oder Verlust für das folgende Jahr besser vorhersagen lässt als mit herkömmlichen Methoden, die auf publizierten Zahlen eines Unternehmens beruhen.
Wir konnten die übliche Kapitalmarktrenditen um neun Prozentpunkte schlagen.
Charlotte Knickrehm
Für unser Paper haben wir 8.000 Aufzeichnungen von sogenannten Bilanzpressekonferenzen analysiert, bei denen Manager*innen mit Investor*innen und Analyst*innen die finanzielle Entwicklung ihres Unternehmens diskutieren. Diese Audiodateien haben wir in Spektrogramme umgewandelt, die die akustischen Informationen visualisieren. Und dann haben wir unsere neuronalen Netze mit den Spektrogrammen und Schätzungen über Gewinne und Verluste von Analysten trainiert. Tatsächlich konnten wir unter Rückgriff auf diese KI-Modelle die üblichen Kapitalmarktrenditen um neun Prozentpunkte schlagen.
Wie fielen die Reaktionen auf das Paper aus?
Wir haben die Studie im Dezember 2022 veröffentlicht. Aufgrund des großen Interesses an dem Paper haben wir uns entschieden, diese Idee auch unternehmerisch weiterzuverfolgen.
Was verbirgt sich hinter vocAI?
Im Grunde geht es bei vocAI vor allem darum, Informationen bereitzustellen, die sich auf die Stimmen von Manager*innen innerhalb von Earnings Calls beziehen, um eine weitere Dimension zur Analyse bereitstellen zu können.
Wie reagieren andere Menschen, wenn Sie ihnen erzählen, dass Sie ein Start-up gründen wollen?
Positiv und unterstützend. Sie sind so lange interessiert, bis es um die technischen Details geht.
Wie haben Sie den Gründungsprozess bisher erlebt?
Wir stehen noch ganz am Anfang, aber übersichtlich ist das Ganze nicht gerade. Die Wissenschaftswelt, die ich bisher kennenlernen durfte, und die „echte“ Welt sind doch sehr verschieden.
Wo haben Sie Unterstützung gefunden?
An der Ruhr-Universität, in der Worldfactory und bei befreundeten Gründer*innen. Alle sind sehr nahbar, freundlich, ehrlich und immer erreichbar.
Welchen Tipp haben Sie für Gründungsinteressierte?
Einfach mal ausprobieren! Ich finde es wichtig, dass man gründet, weil man die Idee mag und nicht, weil man unbedingt gründen möchte. Das Schönste daran, Gründerin zu sein, ist doch an Ideen zu arbeiten, die einen begeistern.