Start-ups Auf dem Weg zu einer florierenden Datenökonomie
Das Start-up utilacy hat eine Datenanalyseplattform entwickelt, mit der Unternehmen sensible Daten austauschen können, ohne dabei Betriebsgeheimnisse offenzulegen.
Neue Technologien, wie Künstliche Intelligenz, Blockchain und Big Data, ermöglichen mittlerweile verblüffende Datenanalysen. Doch auch der Datenschutz ist in diesem Zusammenhang ein oft diskutiertes Thema. Die vier Gründer Sebastian Overhage, Moritz Schmidt, Amin Faez und Dr. David Niehues vom Start-up utilacy haben eine kryptographische Lösung entwickelt, mit der auch sensible Daten datenschutzkonform und unternehmensübergreifend geteilt werden können. Dadurch ergibt sich eine Vielzahl neuer Möglichkeiten der Datennutzung. Mit ihrer Idee wurde das Team beim WORLDFACTORY Demo Day zu einem der fünf vielversprechendsten Start-ups des WORLDFACTORY Start-up Centers 2024 gewählt.
Sensible Daten ohne Bedenken verarbeiten
Die Vision der vier Gründer ist klar: „Wir stellen uns eine Welt vor, in der vertrauliche und sensible Daten ohne Bedenken unternehmensübergreifend geteilt und verarbeitet werden können“, sagt Sebastian Overhage, Geschäftsführer des Start-ups. Gerade einmal sechs Prozent der deutschen Unternehmen gaben laut einer einer Bitkom-Umfrage im Jahr 2023 an, dass sie die Potenziale ihrer Daten ausschöpfen. Nur 17 Prozent der Unternehmen teilten ihre Daten tatsächlich auch mit anderen. „Von einer florierenden Datenökonomie sind wir also noch sehr weit weg“, meint Sebastian Overhage.
Eines der größten Hemmnisse stellen die Regularien des Datenschutzes dar. „Seit der Einführung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) summieren sich die Bußgelder in Europa mittlerweile auf 4,5 Milliarden Euro. Außerdem soll 2025 der neue EU Data Act eingeführt werden“, so Sebastian Overhage. „Es tut sich unheimlich viel, weil immer noch die Frage im Raum steht, wie wir Daten verarbeiten können und welche Daten wir teilen dürfen.“ Insbesondere ist hier die Rede von sensiblen Daten, die besonders geschützt werden sollen. Darunter verstehe man, laut Sebastian Overhage, all jene Daten, die Aussagen zu Privatpersonen oder Unternehmen enthalten, und die diese nicht offen teilen möchten. Hierunter fallen Gesundheitsdaten, finanzielle Daten, aber auch Forschungs- und Entwicklungsdaten ebenso wie Geschäftskennzahlen.
Solche im Grunde Geschäftsgeheimnisse verarbeiten zu können, ist spannend, weil dadurch ganz neue Dienstleistungen angeboten werden können.
Sebastian Overhage
Gleichzeitig fordern neue Gesetze, wie das 2023 eingeführte Lieferkettengesetz, mehr Transparenz von den Unternehmen und die Verarbeitung von Daten, um nachhaltige und ethische Lieferketten sicherzustellen. „Solche im Grunde Geschäftsgeheimnisse verarbeiten zu können, ist spannend, weil dadurch ganz neue Dienstleistungen angeboten werden können. Maschinenhersteller könnten beispielsweise den Wartungsstatus von Industrieanlagen mit mehr Daten deutlich besser einschätzen. Gleichzeitig sind Unternehmen sehr vorsichtig damit, ihre Produktionsdaten einfach an Dritte weiterzugeben“, erklärt Sebastian Overhage.
Mehr als eine einfache Verschlüsselung
Die kryptographische Lösung des Start-ups utliacy verspricht, dass sensible Daten vertrauensvoll und sicher geteilt und verarbeitet werden können, ohne ihre Geheimnisse vollständig zu offenbaren. Hierzu nutzt das Team eine Gruppe von kryptographischen Verfahren, die sich Secure Multi-Party-Computation (SMPC) nennt, und über eine einfache Datenverschlüsselung hinausgeht. Im Kern basiere SMPC darauf, dass Daten codiert und anschließend auf mehrere Computer verteilt werden, die dann mit diesen Daten rechnen. „Das Faszinierende an dieser Technologie ist, dass wir die codierten Daten nicht wieder entschlüsseln müssen, sondern mit diesen zufällig aussehenden Zahlen aggregierte Werte, wie zum Beispiel Summen oder Mittelwerte, berechnen können“, erklärt Sebastian Overhage. „Wir können unsere Technologie so frei programmieren, wie einen normalen Computer.“ So ließe sich beispielsweise auch eine vollkommen vertrauliche Handels- und Auktionsplattform realisieren.
Wir stellen uns eine Art Branchen-Dashboard vor, sodass man auf einem Blick sehen kann, wie der Ist-Zustand einer Branche in Deutschland ist.
Sebastian Overhage
Die Möglichkeit, Geschäftskennzahlen zu vergleichen, schätzt das Start-up-Team aktuell als besonders spannend ein. Dies beinhalte Fragen nach den gängigen Einkaufspreisen innerhalb einer Branche, also ob Unternehmen im Vergleich zu anderen zu viel oder zu wenig zahlen, der generellen Auftragslage, und die Höhe des Krankenstandes. „Diese Vergleiche sind relativ aufwendig, weil es sich um Daten handelt, die Unternehmen nicht in großen Mengen bereitstellen möchten. Bei der aufwendigen Datenverarbeitung sind dann oft Anwälte dazwischengeschaltet, die die Ergebnisse auswerten“, so Sebastian Overhage. Mit der kryptografischen Technologie von utilacy ließen sich mehr Details bereitstellen und die Verarbeitung automatisieren. „Als langfristige Vision für dieses Bereich stellen wir uns eine Art Branchen-Dashboard vor, sodass man auf einem Blick sehen kann, wie der Ist-Zustand einer Branche in Deutschland ist, und die Unternehmen sich verorten können, ohne dass die Daten dabei offengelegt werden.“
Bochum hat die richtige Bubble
Gestartet hat das Team seine Start-up-Reise an der Bergische Universität Wuppertal, wo sie beim Antrag auf den EXIST Forschungstransfer unterstützt wurden. „Wir haben dann aber gemerkt, dass es für IT-Security-Start-ups sehr individuelle Hürden gibt und wollten deshalb Teil einer Bubble werden, in der wir uns mit ähnlichen Gründungsteams austauschen können“, sagt Sebastian Overhage. So seien sie schließlich auf inCUBE, dem Inkubator von Cube 5, aufmerksam geworden. „Wir fanden, dass der Inkubator perfekt zu uns passt. Zum Glück hat das die Gegenseite auch so gesehen und jetzt sind wir ein Teil des WORLDFACTORY-Universums geworden.“ Zusätzlich zu den wertvollen methodischen Tipps durch das Inkubator-Programm sei besonders hilfreich, sich mit ähnlichen Gründungsteams auszutauschen, die aber schon deutlich weiter sind und daher Hinweise geben können, worauf man achten solle und welche Fehler sich vermeiden lassen.
Die Vielfalt der Start-up-Szene an der Ruhr-Universität hat mich wirklich überrascht.
Sebastian Overhage
Beim Demo Day im April 2024 konnten utiliacy ihr Vorhaben der Gründerszene im Ruhrgebiet vorstellen und schafft es unter die Top-5-Start-ups. „Die Vielfalt der Start-up-Szene an der Ruhr-Universität hat mich wirklich überrascht“, sagt Sebastian Overhage. Das Pitch-Event sei spannend gewesen, weil das Team immer wieder neue Ansätze ausprobiere, um ihre Ideen zu präsentieren. „Mit unserer kryptographischen Lösung haben wir eine Hintergrundtechnologie entwickelt, mit der man sehr viele verschiedene Anwendungsfelder bespielen kann. Der Demo Day war eine sehr schöne Gelegenheit für uns, Feedback einzusammeln. Und es waren Leute im Raum, an die man nicht mal eben so herankommt.“
Das Start-up utilacy wurde bereits mit dem Gründerpreis+ ausgezeichnet und im Rahmen des EXIST-Forschungstransfer-Programms von der EU gefördert. Mit Blick in die Zukunft sagt Sebastian Overhage, dass in einem Jahr das erste Produkt offiziell auf den Markt gebracht werden solle. „Das ist der größte Meilenstein, der noch vor uns liegt.“