Serie Die neue Gründerzeit
Torben Soennecken (links) und Rafael Wycislok arbeiten seit mehr als acht Jahren zusammen. Kennengelernt haben sich die beiden Gründer bereits in der Schule. © Michael Schwettmann

Start-ups Nie mehr Langeweile in der Ausbildung

Das Gründungsvorhaben asyoube will die Lernerfahrung in der Ausbildung verbessern. Gelingen soll das durch eine online Plattform, die das Lösen maßgeschneiderter und praxisnaher Probleme ermöglicht.

Künstliche Intelligenz, Big Data, virtuelle Realität – die Digitalisierung bietet viel Potenzial für Innovationen, auch im Bildungsbereich. In den letzten Jahren hat sich mit EdTech, eine Zusammensetzung der Begriffe Education und Technology, ein Markt entwickelt, auf dem Unternehmen und Start-ups digitale Lernlösungen anbieten. Rafael Wycislok und Torben Soennecken arbeiten in einem solchen EdTech-Start-up. Mit asyoube entwickeln sie eine KI-basierte Lösung, die das Lehren und Lernen in der beruflichen Ausbildung revolutionieren soll. Wie das genau aussieht und auf welchen persönlichen Erfahrungen ihre Gründungsidee beruht, das erklärt Rafael Wycislok im Interview.

Ein Ökosystem für EdTech

Mit knapp 140 Start-ups ist Nordrhein-Westfalen auf bestem Wege, ein EdTech-Hotspot in Europa werden. Auch in Bochum soll ein spezielles Ökosystem für EdTech-Start-ups entstehen. Hierzu kooperiert die zentrale Anlaufstelle der Ruhr-Universität für Gründungsinteressierte, das WORLDFACTORY Start-up Center, mit der Founders Foundation. Mit ihrer Initiative EdTech Next unterstützt die Founders Foundation, gefördert durch das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie (MWIKE) NRW, gezielt Gründungsvorhaben im Bereich Education Technology.

Herr Wycislok, EdTech-Start-ups nutzen digitale Technologien, um Lerninhalte auf eine neue, innovative Art zu vermitteln. Was macht asyoube zu einem solchen EdTech-Start-up?
Wir würden uns als EdTech-Start-up bezeichnen, weil wir eine neuartige digitale Lern- und Übungsplattform schaffen. Es gibt zwar bereits Plattformen, diese verstehen sich jedoch primär als Lernplattformen, auf denen bestehende Lösungen und Theorie vermittelt werden. Wir bezeichnen uns bewusst als „Lern- und Übungsplattform“, weil uns der Übungsaspekt sehr wichtig ist. Die Lernmethoden, die wir nutzen, basieren auf Forschung, die es bereits vor 20 bis 30 Jahren gab, aber bisher nicht vernünftig angewandt werden konnten. In einer Studie für seine Masterarbeit konnte Torben zeigen, dass Menschen besser lernen, wenn ein Thema Schritt für Schritt schwieriger wird, anstatt sie einfach so vor ein Problem zu stellen.

Ihre Gründungsidee basiert auf einer persönlichen Erfahrung, richtig?
Nach seinem Abitur hat mein Mitgründer Torben eine Ausbildung zum Fachinformatiker gemacht. Von ihm, aber auch von anderen Leuten in der Ausbildung, hört man immer wieder, dass der Firmen-Teil in der Ausbildung zwar noch ansprechend sei, das Lernen in der Berufsschule vielen dann aber keinen Spaß macht. Auch die Lehrenden sind oft überfordert, da sie ganz unterschiedlichen Lernniveaus gerecht werden müssen.

So kam uns die Idee, eine Lösung zu entwickeln, mit der wir Azubis eine Brücke zwischen Berufsschule und Unternehmen bieten können.

— Rafael Wycislok

So kam uns die Idee, eine Lösung zu entwickeln, mit der wir Azubis eine Brücke zwischen Berufsschule und Unternehmen bieten können. Vor drei Jahren haben wir dann angefangen, Umfragen mit Ausbildern und Auszubildenden zu führen, um zu schauen, ob unsere Idee auch bei den Zielgruppen Anklang findet. Das Feedback war so positiv, dass wir gleich angefangen haben, ein Preview-Konzept zu entwickeln. Dieses wurde dann von Azubis getestet. Seit diesem Jahr arbeiten wir Vollzeit an unserem Projekt.

Welche Probleme haben Sie genau identifiziert? Was macht das Lernen in der Ausbildung so mühselig?
Zum einen haben wir die fehlende Individualität in der Ausbildung als Problem identifiziert. Eine 16-Jährige mit einem Hauptschulabschluss kann in derselben Klasse sitzen wie ein 30-Jähriger, der ein Abitur gemacht und bereits studiert hat. Dass diese Personen unterschiedlich lernen sollten, ist eigentlich selbstverständlich, kann eine Berufsschule jedoch häufig nicht bieten. So gibt es beispielsweise keinen Eins-zu-Eins-Unterricht.

Zum anderen ist die fehlende Praxisnähe ein Problem, vor allem in der Fachinformatik-Ausbildung. Lernen sollte so funktionieren, dass man die theoretische Basis vermittelt bekommt und das neue Wissen anschließend praktisch anwenden muss. Um diese Probleme anzugehen, haben wir uns dazu entschlossen, mit asyoube eine Lern- und Übungsplattform für die Ausbildung zu entwickeln.

Und wie soll Ihre Lern- und Übungsplattform das Lernen in der Ausbildung verbessern?
Mit unserer Lern- und Übungsplattform können wir individuell zugeschnittene Aufgaben anbieten, die schwieriger werden, je weiter die Person im Lernprozess voranschreitet. Während am Anfang noch viel erklärt wird, können die Menschen später mehr rumprobieren und ihr neues Wissen in praxisnahen Lernszenarien anwenden. Ein Beispiel ist das Thema „Subnetze“ in der Informatikausbildung. Das Thema muss man üben und wirklich anwenden. Man kann es nicht nur durch Lesen und Kenntnisse der Theorie verstehen.

Für das Erstellen der Inhalte sowie für das personalisierte Feedback nutzen wir Künstliche Intelligenz, da keine Person den gleichen Wissenstand hat.

— Rafael Wycislok

Wie genau kann man sich Ihre Plattform vorstellen?
Auch unser Ansatz des praxisnahen Lernens beginnt natürlich mit der Theorie. Die Lernenden lesen sich zunächst die Texte auf unseren unterschiedlichen Lernkarten durch. Wenn eine bestimmte Lernkarte nach einer gewissen Zeit wieder vorgeschlagen wird, werden Inhalte für die zu trainierenden Lernziele in Aufgabenstellungen umgewandelt und je nach Kenntnisstand korrekte Antworten bereits teilweise vorausgefüllt. Die fehlenden Inhalte müssen dann von dem Lernenden ergänzt werden. Anschließend erhält die Person ein personalisiertes Feedback. Für das Erstellen der Inhalte sowie für das personalisierte Feedback nutzen wir Künstliche Intelligenz, da keine Person den gleichen Wissenstand hat und die gleichen Fehler macht.

Zusätzlich haben wir Aufgaben entwickelt, in denen die Lernenden einen echten Kontext bekommen, in dem sie ihr Wissen praktisch anwenden müssen. Die Aufgabe könnte beispielsweise lauten, dass ein Unternehmen die Aufteilung von seinem Netz in zwei Subnetze plant. Dort sollte eine bestimmte Anzahl an Computern zu finden sein. Wie würdest du das konfigurieren? Wie im echten Leben gibt es bei dieser Aufgabe nicht nur eine richtige Lösung, sondern ganz viele verschiedene Lösungen, die wir alle als richtig oder falsch abbilden können. Für die Zukunft planen wir außerdem, Formen der Gamification zu nutzen, denn wir wissen, das Lernen mehr Spaß macht, wenn man auf irgendeine Art und Weise motiviert wird.

Bisher entwickeln Sie Inhalte vor allem für die Fachinformatik-Ausbildung, richtig?
Ja. Mit unserem eigenen IT-Hintergrund können wir hier die Inhalte selbst erstellen und von externen Parteien noch einmal verifizieren lassen. Aktuell sind wir in der Start-up-Phase und in Gesprächen mit ersten Kundinnen und Kunden, die unsere Lösung austesten. Wenn wir sehen, dass unser Geschäftsmodell funktioniert, wollen wir uns auch auf andere Berufe ausweiten.

Das Feedback von der Zielgruppe ist immer eine kleine Herausforderung.

— Rafael Wycislok

Welche Herausforderungen mussten Sie bisher meistern?
Das Feedback von der Zielgruppe ist immer eine kleine Herausforderung. Man hat tolle Ideen im Kopf, aber manchmal müssen diese verworfen, neu entwickelt, und wieder getestet werden, wenn sie den Bedürfnissen der Zielgruppe nicht gerecht werden. Das ist aber auch das Prinzip, nach dem wir arbeiten. Immer wenn wir neue Ideen haben, reden wir zunächst mit der Kundengruppe und entwickeln die Idee in kleinschrittigen Prozessen für eine schnellere Umsetzung weiter.

Wie nehmen Sie das Bochumer Ökosystem wahr?
Über eine Coachingvereinbarung mit dem Inkubator Smart Systems sind wir zur Ruhr-Universität gekommen. Das Ökosystem der WORLDFACTORY, die Unterstützung durch die Beratung und Wettbewerbe – das alles ist sehr hilfreich. Außerdem gibt es die Möglichkeit, eine zusätzliche Finanzierung für zum Beispiel Messebesuche, zu erhalten. Das haben wir gerne in Anspruch genommen.

Inkubator Smart Systems

Das Gründungsvorhaben asyoube wird unter anderem von dem Inkubator Smart Systems des WORLDFACTORY Start-Up-Centers unterstützt. Smart Systems ist einer von fünf fachspezifischen Inkubatoren der Ruhr-Universität Bochum und wird vom Lehrstuhl für Produktionssysteme geleitet. Der Inkubator berät Gründungsinteressierte hinsichtlich der Potenziale, Umsetzung und Prototypenentwicklung Smarter Systeme, die den digitalen Datenaustausch zwischen Maschinen und Menschen in Echtzeit ermöglichen.

Veröffentlicht

Mittwoch
23. Oktober 2024
09:52 Uhr

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