Serie 500 Jahre Reformation
Forscht zur Reformationsgeschichte: Prof. Dr. Ute Gause
© RUB, Kramer

Luther „Die umstrittenste Figur der Kirchengeschichte“

Das Menschenbild, das Martin Luther vertritt, ist auch heute noch überzeugend, meint Theologin Ute Gause.

Was verbinden Sie mit Martin Luther?
Er ist eine, wenn nicht sogar die umstrittenste Figur der deutschen Kirchengeschichte, die immer wieder für diverse politische, gesellschaftliche und religiöse Ziele vereinnahmt worden ist.

Martin Luther gilt mir vor allem als Christus suchender Mensch, der sich zeit seines Lebens als „Sünder und Gerechter“ – simul iustus et peccator – und als auf die Gnade Gottes angewiesener Mensch sieht. Er vertritt damit für mich ein bis heute überzeugendes Menschenbild – denn der Mensch tut aus sich heraus auch heute noch eher das Böse als das Gute. Schließlich ist Luther für mich insofern glaubwürdig, als er sich in seinem Glauben immer wieder angefochten sah, der Unverfügbarkeit seines Gottes ausgeliefert.

Die Reformation trug zu einer Intellektualisierung der Gesellschaft bei.

Was war Ihrer Meinung nach die bedeutendste Folge der Reformation, die unsere Gesellschaft heute noch prägt?
Individualisierung und Introspektion als mittelbare Folge davon, dass der Christenmensch allein vor Gott und Christus in der Verantwortung steht. Eine weitere bedeutende Folge war, dass Beruf und Alltagsleben zu dem Ort wurden, in dem sich christliches Leben bewährt. Dadurch dass das gesprochene und geschriebene Wort als Medium der frohen Botschaft hochgeschätzt wurde, trug die Reformation außerdem als eine Bildungsbewegung zu einer Intellektualisierung der Gesellschaft bei.

Was glauben Sie, wie sich die christliche Kirche in Zukunft verändern wird?
Als Kirchenhistorikerin kann ich nur die Vergangenheit kompetent analysieren; die Zukunft zu prognostizieren ist insofern persönliche Meinung. Wenn die Kernaufgabe der evangelischen Kirchen – Predigt des Evangeliums und Verwaltung der Sakramente Taufe und Abendmahl –  vernachlässigt wird, sehe ich Verwässerung, Beliebigkeit und Abdriften in die Belanglosigkeit.

Ich erhoffe verstärktes ökumenisches Engagement.

Es bleibt auch für die Zukunft eine Herausforderung, die für unsere heutige Gesellschaft fremde Botschaft der Bibel angemessen zu vermitteln und den Gabe- und Geschenkcharakter der Sakramente für eine Gemeinde wieder spürbar zu machen. Klar ist jedenfalls: Die Kirchen werden schrumpfen, und ich erhoffe verstärktes ökumenisches Engagement in der zunehmenden Pluralisierung.

Zur Person

Prof. Dr. Ute Gause hat seit 2007 den Bochumer Lehrstuhl für Reformationsgeschichte und Neuere Kirchengeschichte an der Evangelisch-Theologischen Fakultät inne. Von 1996 bis 2007 war sie Professorin für Kirchen- und Theologiegeschichte an der Universität Siegen. Sie veröffentlichte bereits zahlreiche Beiträge zum Thema Reformation, unter anderem zur Sicht von Ehe und Familie im Luthertum, zu Luthers Papstkritik und zur radikalen Reformation. Im Bereich kirchenhistorischer Frauen- und Genderforschung liegen Studien auch zum 19. und 20. Jahrhundert, vor allem zur Diakoniegeschichte, vor.

500 Jahre Reformation

Im Jahr 2017 wird in Deutschland und anderen Ländern das 500. Reformationsjubiläum gefeiert. Auch wenn die Erneuerungsbewegung ein jahrzehntelanger Prozess war, gilt der 31. Oktober 1517 als ihr Auftakt. An diesem Tag soll Martin Luther seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel der Kirche und die Käuflichkeit kirchlicher Ämter veröffentlicht haben. Die Bewegung führte nicht, wie anfangs beabsichtigt, zu einer Reformation der römisch-katholischen Kirche, sondern zur Spaltung des westlichen Christentums. Sie wirkte aber auch weit über den religiösen Bereich hinaus und beeinflusste Wirtschaft, Politik, Recht, Kunst, Sprache und Soziales.

Veröffentlicht

Montag
02. Oktober 2017
10:07 Uhr

Von

Julia Weiler

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