Interview Theologie und Familie im Einklang
Für Peter Mommer ist Luther ein Beispiel für die gelungene Verknüpfung zweier Lebensbereiche, die in manchen Konfessionen nicht zusammenzubringen sind.
Was verbinden Sie mit Martin Luther?
Martin Luther fasziniert mich als Persönlichkeit: ein zutiefst frommer Mann mit deutlicher Sprache, der die Dinge des Glaubens auf den Punkt bringen kann. Doch trotz zum Teil schroffer Ausdrucksweise ist seine gesamte Theologie stark seelsorgerlich orientiert. Ganz persönlich, und das sage ich als Wissenschaftler und als Pastor, ist Luther für mich ein gelungenes Beispiel für die Verbindung von wissenschaftlicher Theologie, kirchlicher Praxis und vor allem familiärem Leben. Beruf und Berufung fallen zusammen und verbinden sich in glücklichster Weise mit dem ganz persönlichen Lebensbereich – von Entfremdung keine Spur.
Was war Ihrer Meinung nach die bedeutendste Folge der Reformation, die unsere Gesellschaft heute noch prägt?
Luther hat das Individuum vor Gott in das Zentrum der Theologie gestellt. Die Kirche als Institution tritt dahinter deutlich zurück. Glaube und Gewissen bestimmen das Leben, nicht mehr die Institution. So verliert die Kirche an Macht – gegenüber den einzelnen Gläubigen wie auch gegenüber dem Staat.
Letztlich wird damit die Trennung von Staat und Kirche eingeleitet, die den modernen Verfassungsstaat unter anderem charakterisiert. Religion wird so zwar nicht Privatsache, aber sie wirkt (nur) noch mittelbar durch christlich orientierte Menschen auf die Gestaltung der Gesellschaft und des Staates.
Was glauben Sie, wie sich die christliche Kirche in Zukunft verändern wird?
In Westeuropa steckt die Kirche in einer Krise, die ihre Ursachen in der demografischen Entwicklung sowie einer schleichenden Indifferenz dem Glauben gegenüber hat. Blickt man auf 2.000 Jahre Geschichte, sieht man, dass die Kirche gerade in Krisenzeiten ihre größte Kraft entfaltet hat. Sie hat ein Alleinstellungsmerkmal: die Botschaft von der Versöhnung mit Gott. Gelingt es, diese Kernbotschaft in eine neue Zeit zu übersetzen, hat Kirche auch weiter Zukunft. Dass ihr Dienst an den Menschen und der Gesellschaft überflüssig werden könnte, kann ich mir nicht wirklich vorstellen.