Serie Über das Vergessen
Prof. Dr. Annette Kluge leitet den Lehrstuhl  Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie. © Damian Gorczany

Wirtschaftspsychologie Auf der Arbeit mit Absicht vergessen

Zuvor Gelerntes kann durchaus im Weg stehen.

Vergessen bedeutet für mich, in der jeweiligen Situation nur die aktuell relevanten Informationen durch das Gedächtnis bereitgestellt zu bekommen. Aus Erfahrung weiß unser Gedächtnis, was in welcher Situation wichtig ist – und liefert uns genau das, was wir brauchen und wollen. So ist es eine wunderbare Assistentin, die es uns auch im Arbeitskontext ermöglicht, uns an veränderte Bedingungen anzupassen. Wir können eine alte Arbeitsweise vergessen, die uns sonst im Weg stehen würde, und stattdessen eine neue anwenden. Könnten wir das nicht, wären wir dazu verdammt, immer das zu wiederholen, was wir als Erstes gelernt haben.

Anwendungen für Organisationen

Im Schwerpunktprogramm 1921, finanziert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, entwickeln wir in interdisziplinären Projekten auf der Basis von psychologischen Untersuchungen informatische und wirtschaftsinformatische Anwendungen, die Menschen in Organisationen beim absichtlichen Vergessen unterstützen.

Ein praktisches Beispiel: Denken Sie an eine Einrichtung, die auf ein elektronisches Verfahren zum Beantragen von Dienstreisen umstellen möchte. Die Rechner könnten so gestaltet werden, dass sie mit der Einführung des elektronischen Dienstreiseantrags die gespeicherten Formulare und PDF-Dateien des alten Verfahrens vergessen; diese würden in eine tiefere Schicht der Festplatte sickern. An die Stelle, an der die Person die Formulare bisher aufgerufen hat, tritt nun der Link zum elektronischen Verfahren. Er öffnet sich, wenn jemand auf die alte Routine zugreifen will.

Veröffentlicht

Mittwoch
10. April 2019
08:53 Uhr

Von

Annette Kluge

Dieser Artikel ist am 3. Mai 2019 in Rubin 1/2019 erschienen. Die gesamte Ausgabe können Sie hier als PDF kostenlos downloaden. Weitere Rubin-Artikel sind hier zu finden.

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