Nicht nur große Firmen arbeiten an der Entwicklung von Quantencomputern, auch Forschungseinrichtungen haben entsprechende Rechner in Betrieb genommen. Hier ist der Kryostat eines Quantencomputers zu sehen, der im Rahmen des europäischen Projekts „OpenSuperQ“ am Forschungszentrum Jülich aufgebaut wurde. Die Ruhr-Universität Bochum kooperiert mit dem Jülicher Team im neuen Quantencomputing-Netzwerk „EIN Quantum NRW“.
© FZ Jülich / Sascha Kreklau

Quantencomputer Rätselhafte Rechenoperationen bei Eiseskälte

Quantencomputer gelten als revolutionär für die Informationstechnik. Auf dem Weg dorthin gibt es aber noch viele Forschungsfragen zu lösen.

Quantencomputer – den Begriff liest man inzwischen häufiger. Und dazu sieht man Bilder von exotisch anmutenden hängenden Gebilden, in denen zahlreiche Leitungen mehrere goldene Etagen miteinander verbinden. Mit dem Aussehen klassischer Computer, die in jedem Haushalt stehen, haben sie nichts gemein. Und sie sind auch weit davon entfernt, in jedem Haushalt stehen zu können. Denn viele von ihnen benötigen spezielle Umgebungsbedingungen für den Betrieb: beispielsweise möglichst tiefe Temperaturen – nahe dem absoluten Nullpunkt.

„Das liegt daran, dass Quantenbits, die Speichereinheiten der Quantencomputer, sehr klein und deshalb auch sehr empfindlich sind“, erklärt Prof. Dr. Michael Walter, Leiter des Lehrstuhls für Quanteninformation an der Ruhr-Universität Bochum. Je höher die Temperatur, desto mehr bewegen sich die Teilchen in einem Quantencomputer. Dieses mikroskopische Rauschen stört die Quantenbits.

Beim Rechnen wird auch jeder herkömmliche Chip warm. Manche Quantencomputer brauchen für ihre Arbeit aber besonders tiefe Temperaturen.
© Roberto Schirdewahn

Das Besondere: Anders als in klassischen Computern ist es sehr viel schwieriger, Information in Quantencomputern redundant zu speichern. Wird also ein einziges Quantenbit gestört, kann Information schnell verlorengehen. „Aktuelle Quantencomputer sind deshalb noch auf wenige tausende Rechenoperationen begrenzt“, weiß Michael Walter. Um die Systeme in die Anwendung zu bekommen, müssen sie also zunächst robuster werden. „Das Zauberwort lautet Fehlerkorrektur“, so Walter. Theoretisch ist das gut verstanden. Es wird aber noch einige Jahre Entwicklungsarbeit benötigen, das in die Realität umzusetzen.

Was die Existenz von Quantencomputern bedeuten würde

Unabhängig vom aktuellen Hardware-Entwicklungsstand zielt Michael Walters Forschung darauf ab, zu ergründen, was die Existenz von stabil laufenden Quantencomputern bedeuten würde. Quantencomputer werden gängige Verschlüsselungsverfahren mühelos brechen können. Wie lässt sich sicherstellen, dass das nicht auch mit neuartigen Verschlüsselungsverfahren passiert? Wie können Quantencomputer helfen, für mehr Sicherheit zu sorgen? Wie lassen sich Quantendaten verschlüsseln? Walters Arbeit rund um IT-Sicherheitsfragen ist eingebettet in das Exzellenzcluster CASA – Cybersicherheit im Zeitalter großskaliger Angreifer.

Michael Walter leitet den Lehrstuhl für Quanteninformation an der Fakultät für Informatik der Ruhr-Universität Bochum.
© Roberto Schirdewahn

Eine Herausforderung, die den Informatiker besonders umtreibt, ist der Wunsch, mit Quantencomputern für mehr Sicherheit zu sorgen. Ein Problem heutiger Verschlüsselungstechniken ist, dass verschlüsselte Nachrichten prinzipiell abgefangen, gespeichert und in vielen Jahre mithilfe von Quantencomputern entschlüsselt werden könnten. Eine Verschlüsselung mit everlasting security hingegen würde sicherstellen, dass eine Information, die im Moment das Abfangens nicht geknackt werden kann, auch später nicht mehr entschlüsselt werden kann. Mit Quantenbits ist das möglich.

Ewige Sicherheit dank Quanteninformatik

Die Forschenden gehen dabei von folgendem Szenario aus: Alice will Bob eine geheime Information schicken. Das passiert in Form eines Quantenbits, kurz auch Qubit genannt. Eve versucht, dieses Qubit abzufangen, zu speichern und unbemerkt durch ein anderes Qubit auszutauschen – ein sogenannter Person-in-the-middle-Angriff. 

Verhindern lässt sich dieser Angriff mit folgendem Trick: Alice schickt Bob ein Qubit, das mit einem anderen Qubit verschränkt ist. Verschränkung bedeutet, dass die beiden Qubits zwar räumlich voneinander getrennt sind, aber dennoch miteinander verbunden. Dadurch kennt das eine Qubit den Zustand des anderen. Versucht Eve also das versendete Qubit zu manipulieren, so können Alice und Bob diesen Eingriff feststellen. Die Idee für eine sichere Kommunikation basierend auf verschränkten Qubits ist nicht neu. „Bislang war allerdings nicht bekannt, wieviel Interaktion dafür wirklich notwendig ist“, erklärt Michael Walter. Zusammen mit CASA-Partnern entwickelte seine Gruppe ein neues Protokoll, das diese grundlegende Frage beantwortet.

Wege im Netzwerk finden

Unabhängig von den IT-Sicherheitsaspekten interessiert sich das Team von Michael Walter für viele andere Fragen in der Quanteninformatik. Dabei wird er auch von einem prestigeträchtigen ERC Grant des europäischen Forschungsrats unterstützt. Ein Fokus liegt dabei auf Algorithmen, mit denen Quantencomputer bestimmte Aufgaben schneller lösen können. Beispielsweise das sogenannte Erreichbarkeitsproblem. Ziel dabei ist, in einem Graphen einen Weg von A nach B zu finden. „Man kann es sich vorstellen wie die Suche nach einem Weg von einer Stadt zur anderen in einem komplexen Netz aus Straßen und Orten“, beschreibt der Informatiker. „Das Problem könnte man lösen, indem man versucht, sich einen Überblick über die Karte zu verschaffen. Dazu müsste man die gesamte Karte oder zumindest einen großen Teil speichern, sodass man den Weg von A nach B sehen kann.“

Was werden Quantencomputer alles leisten können? Einige Antworten auf diese Frage verbergen sich hinter Formeln wie diesen. Michael Walter entwickelt mit seinem Team Algorithmen, die später einmal auf Quantencomputern laufen könnten.
© Roberto Schirdewahn

Ein alternativer Ansatz wäre, einen zufälligen Weg zu gehen. „Das wäre so, wie wenn eine betrunkene Person aus einer Bar kommt und versucht, nach Hause zu finden, indem sie an jeder Straßenecke eine zufällige Entscheidung trifft“, veranschaulicht Walter. „Das ist wenig zielgerichtet, funktioniert aber genauso, wenn auch langsamer. Der Vorteil: Der Algorithmus muss sich keinerlei Information merken, außer den Ort, an dem man sich gerade befindet.“ Diese Methode – auch random walk oder Zufallssuche genannt – klingt nicht intuitiv, aber: „Wir haben einen Random-Walk-Algorithmus für Quantencomputer gefunden, der das Problem viel schneller löst als die klassische Zufallssuche“, schildert Michael Walter.

Schnell mit wenig Speicher

Während es bei klassischen Computern einen Wettstreit zwischen Speicherplatz und Geschwindigkeit gibt – wenig Speicher bedeutet zugleich langsam –, zeigt Walters Forschung, dass diese Einschränkung für Quantencomputer nicht gelten würde. Die Quanten-Zufallssuche braucht minimalen Speicherplatz und findet trotzdem schnell eine Lösung für das Erreichbarkeitsproblem. Aber: „Aufgrund der Natur der Quantencomputer würde der Algorithmus nur die Information ausgeben, dass es einen Weg von A nach B gibt, nicht aber den Weg selbst“, so Walter. Denn in dem Moment, in dem man den Zustand der Qubits misst, um herauszufinden, welchen Weg der Algorithmus gerade nimmt, würde man den Quantenzustand zerstören und die Rechnung unterbrechen.

So funktioniert ein Quantencomputer

Während klassische Computer auf Bits basieren, die die Zustände „0“ und „1“ annehmen können, basieren Quantencomputer auf Quantenbits. Diese können sich in Zuständen befinden, die eine Überlagerung von „0“ und „1“ sind, also mehrere Zustände gleichzeitig annehmen. Diese Überlagerung bricht jedoch zusammen, wenn man misst, in welchem Zustand sich ein Quantenbit befindet. Im Moment der Messung nimmt es entweder den Wert „0“ oder den Wert „1“ an, womit die Quantennatur zerstört wird.

Es ist faszinierend, dass wir das Problem lösen können, ohne zu wissen, wie wir nun eigentlich ans Ziel gekommen sind.


Michael Walter

„Gerade wenn man einen neuen Algorithmus entwickelt, wäre es praktisch, in seine Arbeitsweise hineinschauen zu können“, bedauert Michael Walter. „Andererseits ist es auch faszinierend, dass wir das Problem lösen können, ohne zu wissen, wie wir nun eigentlich ans Ziel gekommen sind“, sagt er.

Das Problem mit den parallelen Prozessen

Häufig liest man, dass Quantencomputer viel leistungsfähiger sein werden als klassische Computer, weil in ihnen vieles parallel geschieht. „So einfach ist das zum Glück nicht“, erklärt der Forscher. „In Quantencomputern passiert so einiges, aber sie rechnen nicht einfach parallel, sondern folgen völlig anderen Spielregeln als gewöhnliche Rechner.“ Die eigentliche Herausforderung sei es, aus den vielen Dingen, die gleichzeitig passieren, am Ende ein einziges Ergebnis zu erzeugen. „Man kann sich das wie ein Orchester vorstellen“ vergleicht Michael Walter. „Nur wenn alle Instrumente auf die richtige Weise zusammenwirken, entsteht wohlklingende Musik. Genauso es ist mit den Qubits in einem Quantenalgorithmus.“

Bis es Entwicklerinnen und Entwicklern gelingt, das Orchester richtig zu trainieren und die exotisch anmutenden goldenen Gebilde in Routinearbeiten einsteigen können, werden noch ein paar Jahre vergehen. Aber wenn es so weit ist und Quantencomputer etabliert sind, werden Michael Walter und sein Team schon einige Algorithmen bereithaben, die dem Orchester zu neuen Klängen verhelfen.

Für die Quanteninformatiker*innen von morgen

Quantencomputer – klingt interessant? Aber irgendwie auch rätselhaft? Dann ist Quantum Quest genau das Richtige: Auf der Onlineplattform www.quantum-quest.de bietet der Lehrstuhl von Michael Walter zusammen mit Partnern von der Universität Amsterdam regelmäßig einen mehrwöchigen Onlinekurs an, bei dem sich Schülerinnen und Schüler auf die Suche nach den Geheimnissen des Quantencomputings begeben können. Für das Programm im November 2023 haben sich 400 Interessierte angemeldet. Auch 2024 soll der Kurs wieder stattfinden. Das Kursmaterial ist ganzjährig online zu finden.

Download hochauflösender Bilder
Der Download der gewählten Bilder erfolgt als ZIP-Datei. Bildzeilen und Bildnachweise finden Sie nach dem Entpacken in der enthaltenen HTML-Datei.
Nutzungsbedingungen
Die Verwendung der Bilder ist unter Angabe des entsprechenden Copyrights für die Presse honorarfrei. Die Bilder dürfen ausschließlich für eine Berichterstattung mit Bezug zur Ruhr-Universität Bochum verwendet werden, die sich ausschließlich auf die Inhalte des Artikels bezieht, der den Link zum Bilderdownload enthält. Mit dem Download erhalten Sie ein einfaches Nutzungsrecht zur einmaligen Berichterstattung. Eine weitergehende Bearbeitung, die über das Anpassen an das jeweilige Layout hinausgeht, oder eine Speicherung der Bilder für weitere Zwecke, erfordert eine Erweiterung des Nutzungsrechts. Sollten Sie die Fotos daher auf andere Weise verwenden wollen, kontaktieren Sie bitte redaktion@ruhr-uni-bochum.de

Dokumentedownload

Veröffentlicht

Freitag
03. November 2023
09:22 Uhr

Dieser Artikel ist am 1. Dezember 2023 in Rubin 2/2023 erschienen. Die gesamte Ausgabe können Sie hier als PDF kostenlos downloaden. Weitere Rubin-Artikel sind hier zu finden.

Teilen