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Wie kalt war der Kalte Krieg wirklich?
Die alliierte Kriegskoalition im Zweiten Weltkrieg wurde durch den Kampf gegen das nationalsozialistische Deutschland zusammengehalten. Als es jedoch um die Gestaltung der Nachkriegsordnung ging, brach der alte Konflikt zwischen Liberalismus und Kommunismus bald wieder auf.
George Orwell benutzte zum ersten Mal den Begriff „Kalter Krieg“
Der amerikanische Journalist Walter Lippmann machte seit Herbst 1947 den Begriff des „Kalten Krieges“ populär, den vor ihm etwa schon George Orwell gebraucht hatte. „Dieser Begriff wurde zum Signum der Konfrontation zweier großer Machtblöcke unter Führung der USA und der Sowjetunion. Sie vermieden zwar eine direkte militärische Konfrontation – daher der Begriff ‚kalt‘, aber gleichzeitig wurde der Konflikt in vielen anderen Formen ausgetragen“, erklärt Prof. Dr. Constantin Goschler vom Historischen Institut der Ruhr-Universität Bochum.
In mehr als 150 militärischen Auseinandersetzungen kamen über 22 Millionen Menschen ums Leben.
Das Wesen des Kalten Krieges bestand darin, dass beide Seiten den Status quo verteidigten, der sich mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ergeben hatte. Stabilisiert wurde diese Situation vor allem durch das schon bald entstandene atomare Patt. Was vielen Menschen nicht bekannt ist: „Während der Gegensatz zwischen Kommunismus und Liberalismus in Europa mit weitgehend friedlichen Mitteln ausgetragen wurde – von der Wirtschaft bis zum Sport – führten die beiden Supermächte USA und Sowjetunion zahlreiche Stellvertreterkriege vor allem im globalen Süden“, sagt Goschler. „In mehr als 150 militärischen Auseinandersetzungen kamen dabei über 22 Millionen Menschen ums Leben. Alleine im Korea-Krieg, der von 1950 bis 1953 ausgetragen wurde, kamen nach Schätzungen vier Millionen Menschen um.“ Gelegentlich drohte der Konflikt aber auch in eine direkte atomare Konfrontation der beiden Supermächte umzuschlagen, so vor allem in der Kubakrise 1962.
Die alten Konfliktlinien des Kalten Krieges sind spätestens mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine wieder sichtbar geworden.
Das Ende des Kalten Krieges 1989/90, das zur Auflösung des Ostblocks und der Sowjetunion führte, wurde anfänglich als Triumph des Westens gedeutet. „Heute wissen wir, dass dieser Optimismus verfrüht war“, so Goschler. „Die alten Konfliktlinien des Kalten Krieges sind spätestens mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine wieder sichtbar geworden. Gleichzeitig haben sich neue Formen der Konfrontation entwickelt, die auch auf die Bundesrepublik selbst zielen und nach neuen Begriffen verlangen. Während der Kalte Krieg durch harte Grenzen markiert wurde, verlaufen heutige Konflikte unterhalb der Schwelle militärischer Auseinandersetzungen über digitale Netze. So lässt sich heute eher einem Cyberkrieg oder auch von einem Informationskrieg sprechen.“
23. November 2023
09.21 Uhr