Serie Let’s Europe
Prof. Dr. Stefan Schirm leitet den Lehrstuhl für Internationale Politik. © RUB, Marquard

Standpunkt Europa der Freiheit, der Vielfalt und der Kompromisse

Warum es keine Alternative zur EU gibt, beleuchtet Politikwissenschaftler Stefan Schirm.

Die Europa-Wahl am 9. Juni 2024 unterstreicht die großen Erfolge europäischer Integration. Aus ehemaligen Feindstaaten ist ein Staatenbund entstanden, der zur friedlichen und prosperierenden Entwicklung Europas der letzten Jahrzehnte ganz wesentlich beigetragen hat. Vor allem aber dokumentiert die europäische Integration die Bedeutung von Freiheit und Vielfalt für die Menschen in Europa. Ohne den freien Austausch von Gütern keine Wachstumsimpulse durch den Binnenmarkt und ohne die Freizügigkeit von Personen keine Mobilität bei Job und Studium. Und ohne Meinungsfreiheit, freie Wahlen, Organisationsfreiheit und freie Presse keine Demokratie.

Freiheit bedeutet auch die Anerkennung von Vielfalt.

Freiheit bedeutet aber auch die Anerkennung von Vielfalt. Deshalb gehört der Schutz der Meinungsfreiheit und der Pluralität von Wertvorstellungen und Interessen zum Kern des heutigen Europas – was aber auch bedeutet, anderslautende Ansichten nicht zu verteufeln, sondern sich mit ihnen in der politischen Debatte auseinanderzusetzen.

Dies muss auf einem gemeinsamen Fundament stattfinden, in dessen Kern Freiheit und Demokratie als Ergebnisse der europäischen Aufklärung ebenso stehen wie Gewaltenteilung, die Trennung von Staat und Religion, individuelle Rechte und Verantwortung sowie Gleichberechtigung der Menschen. Diese Werte zeichnen Europa und die EU aus, verbinden sie mit Ländern wie den USA und Japan, unterscheiden sie aber auch von anderen Weltregionen, in denen diese Werte nicht gelebt werden. Hier gilt es, europäische Werte zu verteidigen gegenüber Gesellschaftsmodellen, die unsere Werte nicht teilen. Das gilt auch für ideologischen Extremismus innerhalb Europas.

Europa ist nicht mit Unilateralismus zu stärken, sondern durch Kompromissfähigkeit.

Intern hängt die weitere Entwicklung der EU aber auch davon ab, inwieweit die Lobbygruppen und Partei-Ideologien, die nationale Regierungen oft prägen, eine gemeinsame europäische Politik durch Kompromisse erlauben. In Anbetracht von Vielfalt erfordert Kooperation die Fähigkeit zum Kompromiss. Hier muss sich auch die deutsche Regierung fragen, ob ihre nationalen Sonderwege etwa in der Energie- und Migrationspolitik zugunsten gemeinsamer europäischer Strategien zur Stärkung Europas verändert werden können. Europa ist nicht mit Unilateralismus zu stärken, sondern durch Kompromissfähigkeit.

Veröffentlicht

Mittwoch
05. Juni 2024
09:22 Uhr

Von

Stefan A. Schirm

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