Wasserwirtschaft Die Zukunft des Wassers
Menschliches Handeln und Extremwetter belasten die Qualität des Süßwassers. Bochumer Forschende haben die Auswirkungen weltweit im Blick.
August 2024: Die Olympischen Spiele in Paris sind ein gigantisches Sportereignis. Einer ihrer Höhepunkte soll das Marathonschwimmen in der Seine werden. Ein gewagtes Unterfangen, denn der geschichtsträchtige Fluss hat schon seit Jahrzehnten ein großes Problem: Das Wasser ist schlicht zu dreckig zum Baden. Schwimmer riskieren Haut- und Magen-Darm-Infektionen. Schuld daran sind Fäkalbakterien wie Escherichia coli. Letztlich gelang es durch eine milliardenschwere Investition in ein riesiges Regen-Rückhaltebecken, den Anschluss von 23.000 Wohnungen an Kläranlagen und andere Maßnahmen, die Wasserqualität so weit zu verbessern, dass die Freiwasser-Wettkämpfe (fast) wie geplant stattfinden konnten.
Die Diskussion um die Seine hat wenigstens für die Zeit der Olympischen Spiele die Aufmerksamkeit auf die Wasserqualität in Flüssen und anderen Gewässern gerichtet. Ein Umstand, den Prof. Dr. Martina Flörke sowohl begrüßt als auch bedauert. Flörke leitet den Lehrstuhl für Ingenieurhydrologie und Wasserwirtschaft an der Ruhr-Universität Bochum und beschäftigt sich intensiv damit, welche Folgen die Wassernutzung und Wasserverschmutzung durch den Menschen auf die künftige Verfügbarkeit dieser Ressource haben.
Wasser wird immer dann ein Thema, wenn plötzlich ein Extrem auftritt.
„Wasser wird immer dann ein Thema, wenn plötzlich ein Extrem auftritt, wenn wir eine Trockenheit haben, ein Fischsterben in der Oder, extremes Hochwasser mit Überflutungen oder wenn die Freischwimmwettbewerbe der Olympischen Spiele auf der Kippe stehen. Und danach ist das plötzlich alles wieder vergessen. Da tritt eine gewisse Demenz ein“, erklärt die Wissenschaftlerin ihr Bedauern.
Ihrer Meinung nach muss Wasser viel öfter mitgedacht werden. Sei es im Hinblick auf den Klimawandel oder beim Bau neuer Fabriken wie dem Tesla-Werk nahe Berlin, welches das Wasserwerk der Region ans Limit bringt – der Versorger warnt vor Problemen bei der Trinkwasserversorgung. Starkregenereignisse sorgen beispielsweise für Überflutungen und überschwemmte Kläranlagen, was zu Umweltbeeinträchtigungen führt, da ungeklärte Abwässer in die Gewässer gelangen“, erläutert Flörke den Zusammenhang zwischen Starkregen und Gewässerverschmutzung. Das müsse besser verstanden werden und auch der Bevölkerung gegenüber besser kommuniziert werden.
Gleichzeitig ist Wasser ein globales Thema. Martina Flörke und ihre Mitarbeitenden nutzen daher ein großskaliges Modell-Framework, das die Verteilung und Verfügbarkeit von Wasser im weltweiten Maßstab simuliert. „Großskalige Modelle bieten die Möglichkeit, Süßwasserressourcen auch in Gegenden zu bewerten, in denen nur wenige Daten verfügbar sind“, sagt Martina Flörke. Dafür teilen die Forschenden die ganze Erdkugel in ein Raster mit neun mal neun Kilometer großen Zellen ein, stellen zunächst den Ist-Zustand der Gewässer-Qualität dar und berechnen dann die Folgen verschiedener Szenarien. Das Programm haben sie selbst entwickelt, wofür viel Programmierarbeit vonnöten war und immer noch ist.
Entwicklungsländer brauchen ein besseres Wasermanagement
So kann man zum Beispiel sehen, welche Auswirkungen der Bau einer Kläranlage in einem Landstrich in Afrika auf die Verunreinigung der dortigen Flüsse mit Fäkalbakterien haben würde. Gerade in Entwicklungsländern sei das Wassermanagement noch sehr schlecht. Teilweise würden Abwässer zwar in Kanälen aufgefangen, diese leiten das Wasser jedoch oft nicht in eine Kläranlage, sondern ungereinigt in Flüsse.
Das Besondere an dem Modell ist, dass viele verschiedene Modelloptionen durchgespielt werden können. So können verschiedene Konzentrationen von Schadstoffen wie fäkal-coliformen Bakterien, Phosphor oder gelösten Feststoffen in Gewässern simuliert werden. Auch ob die Schadstoffe aus Kläranlagen, Industrieabwässern oder aus der Landwirtschaft stammen, lässt sich einstellen.
Wasserknappheit und Wasserverunreinigung
Modelle wie dieses helfen zu verstehen, wo Nähr- und Schadstoffe in Gewässern verbleiben und wie sie sich verhalten. Sie helfen Hotspots zu identifizieren, die Auswirkungen zu bewerten und Lösungen zu entwickeln, um Wasserknappheit oder Verunreinigungen zu reduzieren oder zu verhindern.
„Aus unseren Prognosen leiten sich Empfehlungen ab, womit wir Politik und Industrie unterstützen. Das hilft vor allem bei der Entscheidungsfindung, ob und welche Investitionen für die Wasserinfrastruktur getätigt werden sollten“, erklärt Flörke.
Auch für die Bewertung des Wasser-Fußabdrucks spielen die Daten eine Rolle. Denn jedes Produkt, das wir in die Hände bekommen, kam irgendwann einmal mit Wasser in Verbindung. Und dabei spielen die globalen Modelle eine Rolle. Wo kommt das Produkt her? Wie viel Wasser hat das Produkt dort verbraucht? Wie wurde mit dem Wasser am Produktionsstandort anschließend umgegangen? Kam es zu Wasserverschmutzung oder hat die Herstellung des Produkts zur Wasserknappheit beigetragen?
Doch auch im kleinskaligen Bereich betreiben Martina Flörke und ihre Mitarbeitenden Untersuchungen. In einer jüngeren Studie für das Umweltbundesamt haben sie beispielsweise aktuelle Prognosen für zukünftige Wassernutzungskonflikte in Deutschland analysiert, die als Folge der Auswirkungen von Trockenheit und Dürre vermehrt auftreten. „Dafür haben wir das Auftreten von Nutzungskonflikten recherchiert und zukünftige Regionen identifiziert, wo das Wasser möglicherweise nicht für alle Nutzer und die Natur in ausreichender Menge zur Verfügung stehen wird. In den Sommern 2018 bis 2023 konnte man dies bereits mancherorts selbst erleben“, sagt Martina Flörke.
Vor allem im Osten Deutschlands gibt es Regionen, die trockener geworden sind
Klar ist, dass es Regionen in Deutschland gibt, die in der vergangenen Dekade trockener geworden sind – vor allem im Osten –, manche sind aber auch feuchter geworden. In ihren Prognosen zur Wasserverfügbarkeit und Wassernutzung haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich einerseits den Zeitraum bis 2050 angeschaut, und dann noch darüber hinaus bis zum Ende des Jahrhunderts. Fragen waren: Wie ändert sich die Grundwasserverfügbarkeit? Wie verhält sich die Grundwasserneubildung, die stark von den klimatischen Gegebenheiten, Landnutzung und Bodenverhältnissen abhängig ist? Wie kann sich die zukünftige Wassernutzung der öffentlichen Wasserversorgung an Trockenheit und Dürre anpassen? Welche Maßnahmen können die Industrie, der Energiesektor, aber auch die Landwirtschaft treffen, um sich auf Mangelsituationen vorzubereiten?
Die Konsequenzen betreffen alle
Je nachdem, welche Konsequenzen Industrie, Politik und Landwirtschaft aus Studien wie dieser ziehen, werden wir alle davon betroffen sein. Denn das ist es, was im Gespräch mit Martina Flörke deutlich wird: Wasser und der Schutz der Wasserqualität gehen uns alle an. Und letztlich profitieren wir auch alle davon, wenn geeignete Maßnahmen ergriffen werden. So wie die Menschen aus dem Großraum Paris, die nach Jahrzehnten des Badeverbots nun wieder in der Seine schwimmen dürfen.
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