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„Jeder trägt Verantwortung“
Mit ihrem Lehrprojekt Unvergessen vermittelt Dr. Katrin Bente Karl nicht nur wichtiges Wissen an ihre Studierende, sondern bringt sie auch mit Menschen zusammen, zu denen sie sonst keinen Kontakt hätten. Dafür ist sie am 19. November 2019 mit dem Landeslehrpreis in der Kategorie „Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements“ ausgezeichnet worden. Welche Erfahrungen Karl mit dem Projekt gemacht hat und was es für ihre Hochschullehre bedeutet, erzählt sie im Interview.
Was war der Grund, dass Sie das Projekt Unvergessen initiiert haben?
Manchmal denke ich, das Thema hat mich gefunden. Und nicht ich das Thema. Ich habe eine Studentin betreut, die ihre Bachelorarbeit über eine russischsprachige Frau in einem deutschen Pflegeheim schrieb. Die Arbeit und ihre Transkripte waren der Punkt, an dem mir klargeworden ist, welche besonderen Kommunikationssituationen in deutschen Pflegeheimen existieren. Nach und nach kam die Idee, dass ich Studierende mit Menschen in den Pflegeheimen zusammenbringen kann. Und so ist das Projekt Unvergessen entstanden. Im aktuellen Wintersemester läuft schon der vierte Durchgang des Projektes.
Das Projekt Unvergessen leitet Katrin Bente Karl seit 2016. Dabei besuchen Studierende russisch- und polnischsprachige Menschen mit Demenz oder anderen Beeinträchtigungen in deutschen Pflegeheimen. Sie versuchen damit zu verstehen, welche Bedeutung die Muttersprache bei der Krankheit Demenz hat. Gleichzeitig engagieren sie sich sozial und verbringen wertvolle Zeit mit den älteren Menschen.
Was hat Sie motiviert, das Projekt Jahr für Jahr umzusetzen?
Es ist ein ganz besonderes Projekt auf vielen Ebenen. Die Studierenden wissen oft am Anfang des Projektes gar nicht, was auf sie zukommt. Im Laufe der Semester bewirkt die Auseinandersetzung mit dem Thema Alter und Demenz bei ihnen aber etwas. Und das schweißt die Projektgruppe zusammen. Das ist für mich etwas Besonderes, das ich in keiner anderen Veranstaltung so erlebe. Es gibt also einen Mehrwert für die Studierenden, aber auch für die Pflegeheime, die den Kontakt sehr schätzen. Außerdem gibt es in dem Bereich Demenz und Mehrsprachigkeit noch wenig Forschung. Das finde ich persönlich auch sehr spannend.
Haben diese Erfahrungen auch Einfluss auf Ihre Lehre insgesamt?
Durch das Projekt habe ich mehr und intensiveren Austausch mit den Studierenden. Und das überträgt sich auch auf andere Lehrveranstaltungen. Mir fällt es leichter, den Kontakt zu den Studierenden herzustellen.
Ich finde es wichtig, dass man gegenüber den Studierenden auch Vertrauen zeigt.
Was kann Hochschullehre denn konkret im Bereich zivilgesellschaftliches Engagement leisten?
Als Lehrende kann ich Denkprozesse anstoßen, die hoffentlich weitergetragen werden.
Ich denke, dazu sind konkret drei Sachen notwendig: Als allererstes muss ich meine Begeisterung für Themen auch an die Studierenden vermitteln. Denn es reicht nicht, wenn ich alleine ein Thema für interessant und spannend halte.
Als nächstes finde ich es wichtig, dass man gegenüber den Studierenden auch Vertrauen zeigt. Ich also darauf vertraue, dass Studierende ganz individuell Kompetenzen mit ins Projekt bringen, von denen alle profitieren. Und dass ich ihnen dieses Wissen auch zutraue.
Das dritte, was notwendig ist, ist Verständnis füreinander. Denn das Projekt kann auch emotional werden und Studierende in ganz ungewohnte Situationen bringen. Diese Punkte sind eine Art Grundhaltung fürs Leben, die auch in der Hochschullehre angewendet werden können.
Finden Sie, dass Lehrende Verantwortung dafür tragen?
Es trägt grundsätzlich jeder Verantwortung für zivilgesellschaftliches Engagement. Und soweit es geht, sollte es jeder auch möglich machen.
Universitäre Lehre hat viele Ziele und zivilgesellschaftliches Engagement lässt sich nicht immer damit verknüpfen. Aber wenn es gut passt, dann bin ich als Lehrende ein Multiplikator dafür und kann die angesprochenen Denkprozesse anstoßen.
Katrin Bente Karl studierte in Hamburg Ostslavistik, Westslavistik und Germanistik. Ihre Promotion schloss sie dort im Themenbereich Mehrsprachigkeit ab. Sie wechselte 2011 an die RUB. Seit 2012 ist sie am Seminar für Slavistik Studienrätin und seit Anfang 2019 Oberstudienrätin im Hochschuldienst.
20. November 2019
08.51 Uhr