Wettbewerb Wie angewandte Hydrologie Kommunen besser schützt
Das Start-up Okeanos will Städte besser gegen Extremwetterereignisse wappnen. Ihre KI-basierten Lösungen wurden 2023 mit dem ersten QUBO-Innovationsaward ausgezeichnet.
Gerade einmal einen Monat ist es her, dass Anfang Juni 2024 Unwetter und Starkregen zu einem schweren Hochwasser in Süddeutschland geführt haben. Die Schadensermittlung in den Kommunen läuft noch. Das Start-up Okeanos will Menschen und Kommunen zukünftig besser vor solchen Extremwetterereignissen schützen. Hierfür verbinden Dr. Benjamin Mewes und sein Team Hydrologie und Künstliche Intelligenz. Für ihr Projekt Floodlight, das sich der kommunalen Hochwasserfrühwarnung widmet, hat sie das Rektorat der Ruhr-Universität Bochum im vergangenen Jahr 2023 mit dem ersten QUBO-Innovationsaward ausgezeichnet.
Herr Mewes, Ihr Start-up Okeanos verbindet Informatik, Wasserwirtschaft und Hydrologie. Auf letzteres haben Sie sich an der Ruhr-Universität Bochum spezialisiert. Was begeistert Sie an der Hydrologie?
Die Hydrologie, also die Lehre des Wassers, befasst sich damit, wie Wasser auf der Erde zirkuliert. Das Verständnis dieses Wasserkreislaufs ist eine faszinierende Herausforderung. Durch das Ineinandergreifen von verschiedenen physikalischen Prozessen in der Atmo- und Pedosphäre entstehen interessante Fragestellungen, von der Vorhersage von Extremen bis hin zur Sicherung der Versorgung mit Nahrungsmitteln und Trinkwasser. Diesen Kreis zu schließen, ist das, was mich an der Hydrologie begeistert.
An der Ruhr-Universität haben Sie zunächt in der Hydroinformatik promoviert. Was hat Sie anschließend dazu bewogen, den Sprung von der Wissenschaft in die Wirtschaft zu wagen?
Durch das Aufkommen von Künstlicher Intelligenz sowie der rasanten Methodenentwicklung erkannte ich in der Endphase meiner Promotion die einmalige Gelegenheit, mein Wissen zu nutzen, und den Sprung in die Wirtschaft zu tätigen. Gemeinsam mit meinem Kollegen und Mitgründer Dr. Henning Oppel konnten wir unsere Arbeit am Lehrstuhl so ausrichten, dass wir eine innovative Firma ausgründen konnten.
Warum bilden KI und Wasser ein gutes Team?
Im Wassersektor gibt es sehr viele Daten, unsere deterministischen Modelle sind jedoch häufig nicht in der Lage, diese Daten in ihrer Vielzahl zu verarbeiten und in eine aussagekräftige Information zu übersetzen. Da springt die KI ein und bietet ein Methodenset an, um all diese Daten schnell in eine nutzbare Information zu übersetzen.
Das System spielt seine Stärken besonders dort aus, wo sonst keine Infrastruktur vorliegt: in den Kopfgebieten, da wo Flüsse entstehen und die Experten bisher blind sind.
Welche aktuellen Herausforderungen gehen Sie mit Ihrem Start-up an?
Unser Fokus liegt auf den Schwerpunktthemen Hochwasser, Starkregen, urbane Dürre und Kläranlagenoptimierung. Diese Themen sind gesellschaftlich höchst relevant und bieten uns als Experten die Möglichkeit, einen positiven Impact zu erzielen.
Für Ihr Projekt „Floodlight“ wurden Sie mit dem ersten QUBO – Innovationsaward der Ruhr-Universität Bochum ausgezeichnet. Worum geht es in diesem Projekt?
Hierbei handelt es sich um ein Früherwarnsystem, bei dem wir versuchen, durch den Einbezug der Bodenfeuchte noch vor der Entstehung einer Hochwasserwelle die Information zu bekommen. Im Ernstfall gewinnen wir dadurch wichtige Reaktionszeit im Bereich der zivilen Katastrophenabwehr. Das System spielt seine Stärken besonders dort aus, wo sonst keine Infrastruktur vorliegt: in den Kopfgebieten, da wo Flüsse entstehen und die Experten bisher blind sind.
Wie ging es für Sie nach dem QUBO weiter?
Das Preisgeld von 15.000 Euro haben wir unter anderem für zwei neue Workstations und einer intensiven Teambuilding-Maßnahme ausgegeben, um die neuen Kolleginnen und Kollegen auf die anstehenden Arbeiten und Herausforderungen einzuschwören.
Mit Okeanos arbeiten Sie eng mit Kommunen zusammen und teilen Ihr Wissen. Welche Vorteile ergeben sich durch diese Zusammenarbeit?
Besonders mit den hochwassergeschädigten Erftkommunen Bad Münstereifel, Mechernich, Euskirchen und Weilerswist erarbeiten wir zurzeit neue Lösungen im Bereich des interkommunalen Hochwasserschutzes. Durch die Zusammenarbeit müssen unsere Betrachtungen nicht an kommunalen Grenzen haltmachen. Die Kooperation mit dem Erftverband ist ein einzigartiges Geflecht zur Verbesserung des Hochwasserschutzes im ländlichen Raum.
Der Weg in die Praxis muss einfacher gestaltet werden.
Welche Hindernisse gibt es für den Transfer aus der Hydrologie?
Der Markt ist sehr konservativ. Disruptive Entwicklungen sind schwierig durchzusetzen. Das hindert viele Neuerungen am Übergang von Forschung zu Praxis. Hier gilt es, lokale Akteure einzubeziehen und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, die umsetzbar sind.
Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach das Mindset von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern? Muss sich da etwas ändern, damit es zu mehr Transfer aus der Wissenschaft kommt?
Der Weg in die Praxis muss einfacher gestaltet werden. Die Forschungszusammenarbeit zwischen Kommunen, Wissenschaft sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) ist ein sinnvolles Instrument, um mehr Transfertätigkeit zu ermöglichen. Hier sollte vorrangig dran gearbeitet werden, dass Hürden reduziert werden und junge Forschende auch den Weg in die Kommunen finden.
Was ist Ihr Tipp an Forschende, die selbst gründen möchten?
Wichtig ist das richtige Netzwerk, um eine innovative Lösung im kommunalen Umfeld etablieren zu können. Bildet es rechtzeitig aus, um den Schritt in die Praxis einfacher zu gestalten.