Serie Standpunkt
Roland Span leitet an der Ruhr-Universität Bochum den Lehrstuhl für Thermodynamik. © Roberto Schirdewahn

Standpunkt „Wir müssen auch in zielgerichtete Grundlagenforschung investieren“

Für die Demonstration neuer Techniken oder ihren großtechnischen Einsatz werden massiv Fördermittel bereitgestellt. Das ist wichtig, um die Energiewende voranzubringen. Aber die Basis darf darüber nicht vergessen werden.

Für die Weiterentwicklung der Wasserstoffindustrie sind technische Demonstrationsprojekte unerlässlich. Aber das allein reicht nicht. Wir brauchen auch eine zielgerichtete Grundlagenforschung. Allerdings sind unsere Forschungsfördermechanismen dafür bislang nicht gut geeignet.

Am Lehrstuhl für Thermodynamik haben wir großes Glück, dass der Europäische Forschungsrat und die Deutsche Forschungsgemeinschaft unsere technisch relevante Grundlagenarbeit fördern. Diese Institutionen bewerten Forschungsanträge primär nach Exzellenz, nicht nach Relevanz für eine bestimmte technische Anwendung. Und das ist auch gut so – langfristig brauchen wir eine von Anwendungen zunächst unabhängige Grundlagenforschung. Daneben brauchen wir aber gerade in den Ingenieurwissenschaften auch eine Forschung, die mit Methoden der Grundlagenforschung konkrete technische Fragen aufgreift, etwa um Technologien zu optimieren.

Daraus können Gutachtende schnell den Schluss ziehen, dass ingenieurwissenschaftliche Grundlagenforschung in solchen Programmen nichts zu suchen hat.

Oft haben wir aber, wie Kolleginnen und Kollegen überall auf der Welt, im Wettbewerb um Fördermittel für zielgerichtete Grundlagenforschung Schwierigkeiten zu argumentieren, weil wir nicht die Voraussetzungen für anwendungsorientierte Förderprogramme erfüllen. Hier wird nach dem sogenannten Technology Readiness Level, kurz TRL, unterschieden, je nachdem wie nah an der Anwendung man forscht. Viele große Förderprogramme verlangen heute ein bestimmtes TRL. Daraus können Gutachtende schnell den Schluss ziehen, dass ingenieurwissenschaftliche Grundlagenforschung in solchen Programmen nichts zu suchen hat.

Die TRL-Skala mag sinnvoll sein, wenn man eine neue Technik von den Anfängen bis zum fertigen Produkt entwickelt. Aber sie taugt nicht für existierende Techniken, die weiterentwickelt werden sollen – so wie es bei der Verflüssigung von Wasserstoff der Fall ist.

In früheren Projekten haben wir gezeigt, dass wir bei der Optimierung bestehender Technologien in kurzer Zeit den Sprung von der Grundlagenforschung ans oberste Ende der TRL-Skala schaffen können. Eine von uns im Labor entwickelte Gleichung wurde zum Beispiel ein Jahr später für einen Großteil des weltweit gehandelten LNG als Standard für die Abrechnung eingesetzt.

Wenn wir die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen wollen, müssen wir zunächst grundsätzlich existierende Technologien optimieren.

Natürlich ist es richtig, dass die großen Pilotprojekte gefördert werden. Wir brauchen die Erfahrungen daraus. Nationale und internationale Fördermittelgeber dürfen aber nicht vergessen, dass es ebenso wichtig ist, in die zielgerichtete Grundlagenforschung zu investieren. Die Zeit drängt: Wenn wir die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen wollen, müssen wir zunächst grundsätzlich existierende Technologien optimieren. Das kann nur gelingen, wenn wir auch in zielgerichtete Grundlagenforschung investieren – nicht nur in der Wasserstofftechnik, sondern auch in vielen anderen Bereichen.

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Veröffentlicht

Montag
23. Oktober 2023
11:22 Uhr

Von

Prof. Dr. Roland Span
Lehrstuhl für Thermodynamik

Dieser Artikel ist am 1. Dezember 2023 in Rubin 2/2023 erschienen. Die gesamte Ausgabe können Sie hier als PDF kostenlos downloaden. Weitere Rubin-Artikel sind hier zu finden.

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